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Ein Drama für Jack Taylor

Ein Drama für Jack Taylor

Titel: Ein Drama für Jack Taylor
Autoren: Ken Bruen
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gesagt hatte, er braucht das Geld, um die Lichtrechnung zu bezahlen. Nun fuhr mein Freund fort.
    »Sie fand den Song begabt, da habe ich ihr gesagt, ich hätte ihn geschrieben. Heiland, das hat sie geglaubt, und da ist es mir gelungen, sie unten beim Regattaklub zu poppen. So was ist mir in all meinen Jahren noch nie passiert. Da meint man doch, man hätte schon viel früher mit Singen anfangen sollen. Was meinen Sie dazu?«
    »Willie ist unschlagbar.«
    Ich ließ ihn weiter die Mysterien von Musik und Frauen begrübeln. Das Gehen fühlte sich gut an, und wenn ich die diversen Kneipen passierte, blickte ich stramm geradeaus. Zu jeder Stunde des Tages lockte das Getränk. Als ich über die Lachswehrbrücke schritt, erkannte ich einen Typ neben dem Altkleidercontainer der Seniorenhilfe. Er rief:
    »Yo, Jack!«
    Ich kannte ihn, solang ich lebte. In der Schule hatte er im Katechismus geglänzt und sprach Irisch genauso fließend wie Englisch. Er war Fischwilderer geworden, oder, wie man hier sagt, Feuchti. Ich sagte:
    »Wie läuft’s denn, Mick?«
    Er lächelte wehmütig, zeigte aufs Wasser. Ein Mann in teurer Anglermontur, Gummistiefel bis zum Arsch, warf die lange Schnur aus. Mick sagte:
    »Deutscher Quatsch.«
    »Ja?«
    »Ein Tag Gebühr kostet so viel wie ein kleines Lösegeld, plus man muss die Hälfte des Fangs abliefern.«
    Mir kam ein Gedanke, und ich sagte:
    »Und wenn er nur einen fängt?«
    Mick lachte unverstellt boshaft, sagte:
    »Dann ist er gearscht.«
    Mick war wahrscheinlich der beste Lachsfeuchti westlich des Shannon. Zu seinen Füßen stand eine Reisetasche, er bückte sich, holte eine Thermosflasche und ein belegtes Baguettebrötchen heraus, hielt mir beides hin, fragte:
    »Mal abbeißen?«
    »Nein, hab keinen Hunger.«
    »Dann trink was. Wärmt dich auf, bringt das Blut zum Tanzen.«
    Ich spürte, wie sich mein Herzschlag beschleunigte, fragte:
    »Was ist denn drin?«
    »Hühnerbrühe mit Schwarzgebranntem.«
    Heiland, war ich in Versuchung geführt; einfach mal kosten. Ich schüttelte den Kopf, sagte:
    »Nein, aber danke.«
    Er führte die Thermosflasche an den Kopf, trank gründlich; dann setzte er sie ab, und ich schwöre, seine Augen rollten nach hinten weg, als er ausrief:
    »Hölle auch.«
    Ich beneidete ihn um den Zug. Was kann sich schon mit diesem Wärmeschock messen, wenn er den Magen trifft? Er sagte:
    »Ich höre, du bist davon runter.«
    Ich nickte kläglich, er fasste wieder in die Tasche und fragte:
    »Möchtest einen hiervon?«
    Überreichte mir einen Kalender mit dem Allerheiligsten Herzen Jesu Christi vorne drauf, sagte:
    »Kommt jedes halbe Jahr neu raus, da verlierst du keine sechs Monate.«
    Ich hatte bereits mein halbes Leben verloren. Blätterte ihn auf, und da stand für jeden Tag eine Kurzpredigt. Ich fuhr mit dem Finger am Rand entlang, fand das Datum des Tages, las:
    »Wahrer Glaube befördert Gerechtigkeit.«
    War mir noch nicht aufgefallen.
    Ich wollte das Ding zurückgeben, er lehnte ab und sagte:
    »Nein …, das ist ein Geschenk. Ich meine, du gehst doch jetzt in die Messe, sehe ich das richtig? Also das perfekte Geschenk.«
    Ich verspürte den Drang, ihm aufs Maul zu hauen. Galway war jetzt Großstadt, multikulti, gemischtrassig, aber im Kern hatte die Kleinstadtmentalität überlebt. Sie wussten immer noch, wie du drauf warst. Ich schob mir den Kalender in die Tasche, sagte:
    »Man sieht sich, Mick.«
    Er wartete, bis ich weit genug weg war, dann hielt er es nicht mehr aus:
    »Sprichst für uns eins mit, ja?«
    Auf der anderen Straßenseite bemerkte ich einen jungen Mann mit blondem Haar; er schien mich anzustarren. Ich schenkte ihm weiter keine Beachtung.

»Als ich vor ein paar Jahren Die Nebelschlucht schrieb, wurde mir durch eine Ritze im Fußboden des alten Hauses in Wicklow, in dem ich damals wohnte, mehr Hilfe zuteil, als ich durch Lernen je hätte erlangen können, denn sie ließ mich hören, was die Dienstmädchen in der Küche sagten.«
    J. M. Synge, Vorwort zu Der Held der westlichen Welt

I ch habe keine Familie, nicht im eigentlichen Sinne. Meine Mutter und ich führten seit Jahren Krieg gegeneinander. Einen schmutzigen Feldzug aus vollen Rohren, bis sie einen Schlaganfall hatte. Zu meiner Verblüffung begann mein Groll gegen sie sich etwas zu legen. Sie erholte sich langsam, und obwohl wir kaum zueinanderfanden, hatte doch zweifellos ein Perspektivenwechsel stattgefunden. Ich war bald mit einem Besuch bei ihr dran. Ihr Kümmerer / Gefährte, Pater
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