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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held
Autoren: Mario Vargas Llosa
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zu sagen.«
    Dieser Rotzbengel, dachte er, ist ein gewitztes Kerlchen, und er gefällt sich darin, seinem Vater einzuheizen. Ob ich als Junge auch so wahr? Er wusste es nicht mehr.
    Er sah die Reisedokumente durch, warf einen letzten Blick in den Handkoffer, nicht dass er etwas vergessen hatte. Kurz darauf wurde es hell, und er hörte ein Klappern in der Küche. Als er wieder ins Schlafzimmer ging, sah er auf dem Flur die drei Koffer, die Lucrecia gepackt und mit Namensschildchenversehen hatte. Er ging ins Bad, rasierte sich, duschte, und als er wieder ins Schlafzimmer kam, war Lucrecia bereits aufgestanden und weckte Fonchito. Das Frühstück warte im Esszimmer auf sie, verkündete Justiniana.
    »Kaum zu glauben, dass der Tag gekommen ist«, sagte er zu Lucrecia, während er sich seinen Orangensaft, seinen Milchkaffee und sein Toastbrot mit Butter und Marmelade schmecken ließ. »In diesen Monaten habe ich manchmal gedacht, wir müssten uns noch Jahre mit den Hyänen vor Gericht herumschlagen und würden nie wieder einen Fuß auf europäischen Boden setzen.«
    »Weißt du, worauf ich bei unserer Reise am meisten gespannt bin?«, fragte Lucrecia, die zum Frühstück nur eine Tasse Tee ohne alles trank. »Du wirst lachen: auf Armidas Empfang. Wie wohl das Essen wird? Wen lädt sie sonst noch ein? Ich kann es immer noch nicht fassen, dass die ehemalige Hausangestellte von Ismael für uns in Rom ein Bankett gibt. Ich komme um vor Neugier, Rigoberto. Wie sie lebt, wie sie sich um die Gäste kümmert, wie ihre Bekannten sind. Meinst du, sie hat Italienisch gelernt? Das Haus ist bestimmt ein kleiner Palast, nehme ich an.«
    »Bestimmt, ja, sicher«, sagte Rigoberto ein wenig enttäuscht. »Geld hat sie ja genug, um zu leben wie Gott in Frankreich. Hoffentlich hat sie auch den Geschmack und das nötige Feingefühl, um mit einem solchen Vermögen sinnvoll umzugehen. Aber warum nicht. Sie hat bewiesen, dass sie cleverer ist als wir alle zusammen. Sie hat ihren Kopf durchgesetzt, und da lebt sie nun in Italien, mit der ganzen Erbschaft von Ismael in der Tasche, und die Zwillinge auf ganzer Linie geschlagen. Ich freue mich für sie, wirklich.«
    »Sprich nicht so von Armida, mach dich nicht lustig«, sagte Lucrecia und hielt ihm die Hand vor den Mund. »Sie ist nicht, was die Leute von ihr denken, sie war es nie.«
    »Schon gut, ich weiß ja, dass sie dich bei eurem Gespräch in Piura überzeugt hat.« Rigoberto lächelte. »Und wenn es geflunkert war, Lucrecia?«
    »Sie hat mir die Wahrheit gesagt, dafür lege ich meine Hand ins Feuer«, versicherte Lucrecia. »Sie hat erzählt, was passiert ist, ohne etwas hinzuzufügen oder auszulassen. Für solche Dinge habe ich ein untrügliches Gespür.«
    »Das glaube ich dir nicht. Ist es wirklich so gewesen?«
    »Wirklich.« Armida schlug die Augen nieder, ein wenig verschüchtert. »Nie hat er mich auch nur angeschaut. Nie ein Kompliment. Nicht einmal ein freundliches Wort, wie die Hausherren es manchmal so zu ihren Angestellten sagen. Das schwöre ich Ihnen, bei allem, was mir heilig ist, Señora Lucrecia.«
    »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich duzen sollst, Armida.« Lucrecia schüttelte den Kopf. »Es fällt mir schwer zu glauben, dass es stimmt, was du da sagst. Hast du wirklich vorher nie gemerkt, dass du Ismael gefällst, und sei es ein kleines bisschen?«
    »Das schwöre ich Ihnen, bei allem, was mir heilig ist.« Armida küsste ihre gekreuzten Finger. »Nie und nimmer, soll Gott mich in die Hölle schicken, wenn ich lüge. Niemals. Nie. Deshalb war ich so baff, dass ich fast ohnmächtig geworden bin. Aber was reden Sie da! Sind Sie verrückt geworden, Don Ismael? Oder werde ich verrückt? Was geht hier eigentlich vor?«
    »Niemand ist verrückt, Armida, weder du noch ich«, sagte der Herr Carrera, und dabei lächelte er und sprach mit einer Liebenswürdigkeit, wie sie es von ihm nicht kannte. »Natürlich hast du genau verstanden, was ich gesagt habe. Ich frage dich noch einmal. Willst du mich heiraten? Ich meine es ernst. Ich bin zu alt, um noch zu flirten, um dir nach altem Brauch den Hof zu machen. Ich biete dir meine Zuneigung, meine Wertschätzung. Ich bin sicher, auch die Liebe wird kommen, später. Meine zu dir und deine zu mir.«
    »Er sagte, er fühle sich einsam, ich wäre die Richtige für ihn, ich würde seine Gewohnheiten kennen, wüsste, was er mochte und was nicht, außerdem würde ich mich sicher gut um ihn kümmern. Mir schwirrte der Kopf, Señora
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