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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Lucrecia. Ich konnte nicht glauben, was er da sagte. Aber so ist es gewesen,genau so. Ganz plötzlich und ohne Drumrum, aus heiterem Himmel. Das ist die reine Wahrheit. Ich schwöre es Ihnen.«
    »Ich kann nur staunen, Armida.« Lucrecia nahm sie verblüfft unter die Lupe. »Aber nach allem, ja, warum nicht. Er hat dir einfach die Wahrheit gesagt. Er fühlte sich einsam, brauchte Gesellschaft, du kanntest ihn besser als sonst jemand. Und dann hast du ja gesagt, einfach so?«
    »Du musst jetzt nicht antworten, Armida«, sagte der Herr, ohne einen Schritt auf sie zuzugehen, ohne die geringsten Anstalten, sie zu berühren, ihre Hand zu nehmen, den Arm. »Denk darüber nach. Mein Antrag ist ernst gemeint. Wir heiraten, fahren auf Hochzeitsreise nach Europa. Ich will alles tun, um dich glücklich zu machen. Überleg es dir, bitte.«
    »Ich hatte einen Freund, Señora Lucrecia. Panchito. Ein lieber Mensch. Er arbeitete in der Gemeindeverwaltung von Lince, beim Registeramt. Ich musste mich von ihm trennen. Ehrlich gesagt, ich habe nicht lange überlegt. Es kam mir vor wie im Märchen von Aschenputtel. Aber bis zum letzten Moment hatte ich Zweifel, ob der Herr Carrera es wirklich ernst meinte. Aber ja, sehr ernst, und Sie sehen ja selbst, was danach alles passiert ist.«
    »Ich traue mich kaum, dich das zu fragen, Armida«, sagte Lucrecia und sprach jetzt sehr leise. »Aber ich komme schier um vor Neugier. Willst du damit sagen, vor eurer Hochzeit war nichts zwischen euch?«
    Armida lachte laut und hielt sich die Hände vors Gesicht.
    »Nachdem ich ja gesagt hatte, war was«, sagte sie, wurde rot, lachte immer noch. »Klar war da was. Der Herr war noch ein ganzer Mann, trotz seines Alters.«
    Lucrecia musste jetzt auch lachen.
    »Du brauchst mir nicht mehr zu erzählen«, sagte sie und umarmte Armida. »Ach, ist das köstlich. Ein Jammer, dass Ismael gestorben ist.«
    »Es will mir immer noch nicht in den Kopf, dass die Hyänen ihre Reißzähne verloren haben«, sagte Rigoberto. »Dass sie so zahm geworden sind.«
    »Das glaube ich nicht«, antwortete Lucrecia. »Sie machen bestimmt nur deshalb keinen Krawall, weil sie wieder was aushecken. Hat Doktor Arnillas dir gesagt, worin die Vereinbarung mit Armida besteht?«
    Rigoberto schüttelte den Kopf.
    »Ich habe ihn nicht danach gefragt«, sagte er achselzuckend. »Aber kein Zweifel, sie haben es aufgegeben. Sonst hätten sie nicht alle Klagen zurückgezogen. Sie muss ihnen eine ordentliche Summe gegeben haben, um sie zu bändigen. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht haben die beiden Idioten eingesehen, dass sie, wenn sie weiterkämpfen, irgendwann als alte Leute sterben, ohne dass sie auch nur einen einzigen Centavo aus der Erbschaft gesehen hätten. Ehrlich gesagt, mir ist das schnuppe. Ich will nicht, dass wir die ganze Reise von diesen Kanaillen sprechen, Lucrecia. Ich möchte, dass es schöne, angenehme, anregende vier Wochen werden. Die Hyänen passen nicht dazu.«
    »Ich verspreche dir, ich werde sie nie wieder erwähnen.« Lucrecia musste lachen. »Letzte Frage. Weißt du, was aus ihnen geworden ist?«
    »Sie sind garantiert in Miami, um das Geld auf den Kopf zu hauen, dass sie Armida abgenommen haben, wo sonst«, sagte Rigoberto. »Ach, stimmt ja, da können sie nicht mehr hin, weil Miki jemanden überfahren hat und dann abgehauen ist. Obwohl, vielleicht ist das schon verjährt. Egal, die Zwillinge haben sich aus dem Staub gemacht, sind verschwunden, haben nie existiert. Sprechen wir nicht mehr von ihnen. Hallo, Fonchito!«
    Der Junge war schon reisefertig, mit Jacke und allem.
    »Meine Güte, wie elegant«, empfing ihn Lucrecia und gab ihm einen Kuss. »Hier, dein Frühstück. Ich lasse euch allein, ich bin schon spät dran. Ich muss mich beeilen, wenn wir pünktlich um neun losfahren sollen.«
    »Freust du dich auf die Reise?«, fragte Rigoberto seinen Sohn, als sie allein waren.
    »Sehr, Papa. Seit ich denken kann, habe ich dich so viel von Europa reden hören, dass ich schon davon träume.«
    »Es wird eine wunderbare Erfahrung, bestimmt«, sagte Rigoberto. »Ich habe alles sorgfältig geplant, damit du die schönsten Dinge siehst, die es im alten Europa gibt, ohne alles Hässliche. In gewisser Weise wird die Reise mein Meisterwerk sein. Eins, das ich nicht gemalt, nicht komponiert, nicht geschrieben habe, Fonchito. Aber du wirst es erleben.«
    »Es ist nie zu spät, Papa«, erwiderte der Junge. »Du hast noch viel Zeit und kannst tun, was dir wirklich
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