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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Sie hatten etwas Provinzielles an sich, schienen verwirrt und verloren in der Menge auf dem Flughafen und betrachteten alles skeptisch und wie mit banger Sorge. Man hätte meinen können, sie seien einem dieser expressionistischen Gemälde voller verschrobener und verzerrter Typen aus dem Berlin der zwanziger Jahre entsprungen, wie Otto Dix oder George Grosz sie malten.
    »Du hast sie also schon gesehen«, hörte er Lucrecia. Sie deutete auf das Paar. »Offenbar fliegen sie auch nach Spanien. Und erster Klasse, was sagst du dazu!«
    »Ich glaube, ich kenne sie, ich weiß nur nicht, woher«, sagte Rigoberto. »Wer sind sie?«
    »Na, das Paar aus Piura, sag bloß, du erkennst sie nicht wieder.«
    »Ja, Armidas Schwester und ihr Schwager, tatsächlich. Du hast recht, sie fliegen nach Spanien. Was für ein Zufall.«
    Er verspürte ein merkwürdiges Unwohlsein, eine Unruhe, als könnte das Zusammentreffen mit diesem Ehepaar aus Piura im Iberia-Flug nach Madrid für das so sorgfältig ausgefeilte Programm ihres europäischen Monats irgendeine Bedrohung darstellen. Quatsch, dachte er, ich leide schon unter Verfolgungswahn. Wie sollte dieses kuriose Paar ihnen schon ihre Reise verderben. Er beobachtete die beiden, wie sie am Schalter der Iberia eincheckten und den großen, von dicken Riemen gehaltenen Koffer wogen, den sie aufgaben. Ihnen war anzumerken, wie ängstlich und besorgt sie waren, als bestiegen sie zum ersten Mal in ihrem Leben ein Flugzeug. Als sie die Anweisungen der Schalterdame schließlich verstanden hatten, entfernten sie sich, untergehakt, als wollten sie sich vor Unvorhergesehenem schützen. Was hatten Felícito Yanaqué und seine Frau Gertrudis wohl in Spanien vor? Natürlich, klar, sie wollten den Skandal vergessen, in dessen Mittelpunkt sie in Piura gestanden hatten, mit Entführungen, Seitensprüngen und Nutten. Sicher hatten sie eine Gruppenreise gebucht und dafür die Ersparnisse eines ganzen Lebens ausgegeben. Es hatte keinerlei Bedeutung. Er war nur allzu empfindlich geworden in diesen Monaten, dünnhäutig, fast paranoid. Dieses Pärchen hatte es nicht in der Hand, ihren wunderbaren Urlaub auch nur im Geringsten zu beeinträchtigen.
    »Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie habe ich ein mulmiges Gefühl, dass wir ausgerechnet diesem Paar aus Piura begegnen, Rigoberto«, hörte er Lucrecia, und ein Schauer lief ihm über den Rücken.
    »Mulmig?«, tat er verwundert. »Unsinn, Lucrecia, dafür gibt es keinen Grund. Es werden noch schönere Wochen als bei unserer Hochzeitsreise, das verspreche ich dir.«
    Als sie eingecheckt hatten, gingen sie zur oberen Ebene hinauf, wo eine weitere lange Schlange darauf wartete, dass die Polizei ihre Pässe stempelte. Trotzdem blieb ihnen, als sie endlich durch die Kontrolle waren, noch reichlich Zeit bis zum Abflug. Lucrecia beschloss, einen Blick in die Duty-free-Shops zu werfen, und Fonchito begleitete sie. Da er Einkaufen hasste, sagte Rigoberto, er warte im Bistro auf sie. Er kaufte sich auf dem Weg den Economist und stellte fest, dass in dem kleinen Restaurant alle Tische besetzt waren. Er wollte schon zum Flugsteig gehen und sich dort hinsetzen, als er an einem der Tische den Herrn Yanaqué und seine Frau entdeckte. Sehr ernst und sehr ruhig saßen sie dort, vor sich ein Erfrischungsgetränk und ein Teller mit Keksen. Aus einem Impuls heraus trat Rigoberto zu ihnen.
    »Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern«, grüßte er sie und reichte ihnen die Hand. »Vor ein paar Monaten war ich in Piura, bei Ihnen zu Hause. Was für eine Überraschung. Sie verreisen also.«
    Die beiden Piuraner waren aufgestanden, im ersten Moment überrascht, dann lächelnd. Und überschwänglich schüttelten sie ihm die Hand.
    »Was für eine Überraschung, Don Rigoberto«, rief der Herr Yanaqué. »Sie hier. Wie sollten wir uns nicht an unsere Verschwörung erinnern.«
    »Kommen Sie, setzen Sie sich«, sagte die Señora Gertrudis. »Tun Sie uns den Gefallen.
    »Na schön, ja, sehr gern«, sagte Rigoberto. »Meine Frau und mein Sohn sehen sich Geschäfte an. Wir fliegen nach Madrid.«
    »Nach Madrid?« Felícito Yanaqué machte große Augen. »Genau wie wir, so ein Zufall.«
    »Was möchten Sie trinken, Señor?«, fragte die Señora Gertrudis zuvorkommend.
    Sie schien wie ausgewechselt, war nun mitteilsamer, sympathischer, lächelte sogar. Er hatte sie von den Tagen in Piura als spröde in Erinnerung, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen.
    »Einen kleinen Cortado«, bestellte
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