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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe
Autoren: Valerie Menton
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um ihren Geliebten getrauert.“
    Yuna sah Julien erstaunt an, denn genau so hatte sie das auch empfunden, und sie war immer noch nicht damit einverstanden, dass Pierre Loti sich für Yann und Gaud kein Happy End ausgedacht hatte.
    Wenn schon das Leben so rau und mitleidslos mit den Menschen umging, sollte doch wenigstens ein Schriftsteller die Chance ergreifen und ihnen das Glück ins Buch schreiben, welches sie sich erträumten und das sie verdient hatten.
    Wenn sie jemals ein Buch schreiben würde, dann bestimmt nur eins, dass glücklich ausging.
    Sie seufzte bei diesem Gedanken und lehnte sich Geborgenheit suchend an ihn.
    „Es war wohl doch keine so gute Idee, hierher zu kommen“, sagte er und schloss sie liebevoll in seine Arme. „Dieser Ort ist viel zu traurig für dich.“
    „Nein, nein, das musst du nicht denken“, widersprach sie ihm. „Ich bin wirklich froh, endlich hier zu sein. Ich habe so sehr mit Gaud gelitten, dass ich einfach herkommen musste. Es, es ist wie eine Art Abschluss.“
    Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn zärtlich.
    „Und dennoch, ich hätte ihr so sehr ein Happy End gewünscht.“
    Julien war da ganz ihrer Meinung und sie staunte erneut über soviel Sensibilität für ein solches Thema bei einem modernen Mann. Nicht einmal hatte er sich darüber lustig gemacht, dass sie sich von so einem „Kitschroman“ derart gefangen nehmen ließ.
    Aber Julien entstammte ja einer bretonischen Familie und ein Heimatschriftsteller wie Loti schrieb auch immer ein gehöriges Stück authentischer Identität dieser Landschaft und ihrer Menschen in seine Bücher hinein. Egal wie gestelzt, umständlich und zur Sentimentalität neigend seine Sprache aus dem 19.Jahrhundert auch heute erscheinen mochte.
    „Denk einfach an die anderen Frauen“, versuchte Julien Yuna nun aber aufzumuntern, „die genau wie Gaud hier gestanden haben, und deren Männer gesund zu ihnen zurückkehrten. Dieses Kreuz hier hat nicht nur Trauer gesehen, sondern auch viel Glück.“
    Da hatte er Recht. So konnte man es natürlich auch sehen und plötzlich erschien ihr die Stimmung an diesem Ortes der Sehnsucht nicht mehr ausschließlich trübe und schwermütig, sondern auch hoffnungsfroh und versöhnlich. Und genau das war die Inspiration, die Yuna noch in ihr Bild einfließen lassen musste, denn es sollte ein Kreuz für die Lebenden werden, nicht für die Toten. Ein Zeichen der Hoffnung, nicht der Verzweiflung.
    Die beiden Liebenden kuschelten sich nun am Fuße des Kreuzes aneinander, küssten und streichelten sich, flüsterten einander zärtliche Worte ins Ohr und genossen überschwänglich das Glück, welches sie nach so langen Jahren wieder zusammengebracht hatte.
    „Ich kann es immer noch nicht glauben,“ flüsterte Yuna zwischen zwei Küssen, „dass ich hier bin und dich wiedergefunden habe.“
    „Und?“, fragte Julien noch einmal, „wirst du diesmal bleiben?“
    Yuna sah verträumt auf das Meer hinaus. Sollte sie ihm hier an diesem Ort der Verzweiflung und Hoffnung die Antwort geben, die sie längst in ihrem Herzen trug? Sie zögerte, dann entschied sie:
    „Ich gebe dir die Antwort in An Triskell , nachher, wenn wir zurückgekehrt sind. Solange musst du noch warten.“
    Er nickte, aber wohl um ihre Entscheidung noch ein bisschen positiv zu beeinflussen, sprang er plötzlich auf, stieg die Stufen bis zum Kreuz hinauf und schrie oben angekommen so laut er konnte und dass es über das Meer vermutlich bis nach England schallte:
    „Ich liebe Yuna… Ich, Julian, erkläre es hiermit aller Welt – Ich l.i.e.b.e sie!!!!“
    Was war er nur für ein verrückter Kerl und wie verwegen sah er aus, als er da oben stand, mit wehendem Haar und blitzenden Augen, die Hände vor dem Mund zu einem Trichter geformt, damit seine Worte auch ja weit trugen. Yuna war von seinem Anblick hingerissen, aber dennoch froh, dass sie heute die einzigen Besucher hier waren. Sonst wäre sie wohl doch vor Verlegenheit im Erdboden versunken.

12
Letzte Geheimnisse

    Und Gaud blieb am Fuße ihres Kreuzes sitzen… eines hochragenden, einsamen Kreuzes… und starrte unverwandt auf das Meer hinaus… Es gibt hier überall solche Granitkreuze, welche auf den vorspringenden Klippen dieses Seemannslandes emporragen, als wollten sie jenes große, ruhelose, geheimnisvolle Etwas beschwichtigen, das die Männer in seine Tiefen lockt und dann nicht wieder herausgibt…
    Pierre Loti, Islandfischer

    Yuna und Julien suchten sich ein windgeschütztes
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