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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe
Autoren: Valerie Menton
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Kurs.
    „Und“, gab Mandy noch zu bedenken, „du hast doch dieses tolle Haus von deinem Großvater geerbt, da könnt ihr ja wohnen und wenn es da sogar ein Atelier gibt, kannst du dort doch Malen oder anders künstlerisch tätig sein. Das wolltest du doch immer, selbstbestimmt etwas schaffen. Besser geht es doch gar nicht.“ Und mit einem tiefen Seufzer in dem durchaus etwas Neid mitschwang schloss sie: „Hast du vielleicht ein Glück!“

    Am nächsten Tag stand Yuna vor ihrer Staffelei im Wintergarten und betrachtete ihr Werk, als Julien unverhofft zu ihr trat. Er war durch den Hintereingang vom Klippenweg gekommen und hatte sie überrascht.
    Nun sah er zum ersten Mal, woran sie die letzten Tage gearbeitet hatte.
    „Du malst das Witwenkreuz?!“ fragte er erstaunt.
    „Ja, ich versuche es, aber ich komme nicht so recht weiter. Irgendetwas stimmt noch nicht und…“ Sie sah ihn fragend an. „Würdest du mit mir hingehen? Ich möchte es gerne aus der Nähe sehen… es würde mir helfen und… du hast es mir versprochen… lange schon.“

    Da das Wetter fantastisch war und da eine große Ebbe die Chaussée du diable über mehrere Stunden freilegte, stimmte Julien zu, die versprochene Wanderung zum Witwenkreuz auf der Insel vor dem Plage Martin zu unternehmen. Immer noch wurde Yuna wie magisch von diesem Ort angezogen und weil sie wusste, dass dort das Flüchtlingsschiff gestrandet war, wollte sie zum Gedenken an die Toten dort einen Strauß Hortensien niederlegen. Auch hatte sie ja nun die Islandfischer zu Ende gelesen und empfand den Besuch als einen schönen Abschluss, dieses Literaturerlebnisses.
    Emory sprang total vergnügt vor ihnen her und sie mussten ihn schließlich an die Leine nehmen, damit er auf der Chaussée du diable nicht voller Übermut vom Weg abkam und in den Sinksand geriet.
    Aber kurz bevor sie die Insel erreichten, schaffte er es doch, die Laufleine soweit abzuziehen, dass er ins Watt rennen konnten. Der unsichere Boden gab nach und er versank bis zum Hals im saugenden Sand. Yuna zerrte so heftig sie konnte an der Leine, um ihn wieder heraus zu ziehen, aber der Sog war so stark, dass sie Sorge hatte, dass die Leine reißen könnte.
    Julien lehnte sich schließlich auf dem Bauch liegend und von ihr an den Füßen festgehalten, so weit es ging ins Watt hinaus und bekam den panischen Hund schließlich am Halsband zu fassen. Mit vereinten Kräften zogen sie Emo wieder auf sicheren Boden.
    „Böser Hund“, schimpfte sie mit ihm. „Warum kannst du auch nicht hören! Bei Fuß jetzt!“
    Reumütig schlich er die nächsten fünf Minuten mit eingezogenem Schwanz neben ihnen her. Doch das wurde ihm schnell zu langweilig und er sprang wie gehabt neugierig voraus.
    Als sie die Insel erreichten, ließen sie ihn mit einem mahnenden Wort schließlich doch wieder von der Leine. Hier auf dem kleinen Felseneiland konnte ja eigentlich nichts passieren.
    Sie stiegen einen schmalen Pfad hinauf, der durch Ginster und blühendes Heidekraut auf eine kleine Ebene führte, an deren Ende mit Blick auf das offene Meer, sich das weiße Kreuz befand. Das Witwenkreuz. Wie Loti es in den Islandfischern beschrieben hatte.
    Es war fast drei Meter hoch und stand, umgeben von weiß gestrichenen Felsen, auf einem Granitsockel. Yuna legte ihren Hortensienstrauß dort nieder, dann setzten sie sich auf die Stufen und schauten, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend, eine Weile schweigend auf das Meer hinaus.
    Yuna fühlte noch einmal den Schmerz der armen Gaud, die bis in den kalten Oktober hinein, Stunde um Stunde an so einem Kreuz gestanden und sich verzweifelt an die Hoffnung geklammert hatte, doch noch am Horizont die Segel der Leopoldine zu sehen, die eine glückliche Heimkehr ihres Geliebten anzeigten.
    Wie anders war es doch mit Michael gewesen, da hatte es keine Hoffnung gegeben, nicht den kleinsten Schimmer. Von einem Tag auf den anderen war er tot und alles vorbei. Es war schrecklich, auch für sie, aber die Liebe war ja längst vorher gestorben. So war sein Tod, auch in seiner endgültigen Gewissheit, letztlich erträglicher, als das ungewisse Warten zwischen Hoffen und Bangen, wie es die Frauen der Seeleute endlos lange gequält hatte.
    „Ob sie je die Hoffnung aufgeben konnten?“, fragte sie. „Oder haben sie die mit in ihr eigenes Grab genommen?“
    „Das wird wohl je nach Charakter und Temperament unterschiedlich gewesen sein. So eine wie Gaud hat gewiss nie wieder geheiratet und bis an ihr Lebensende
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