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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen
Autoren: Lynda Curnyn
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ich nicht mit Justin zusammen sein konnte, so wollte ich doch nicht, dass er bei meiner Mutter in Ungnade fiel. Keinesfalls wollte ich eines Tages feststellen, dass sein Foto nicht mehr an dem Jesusbild klebte. Denn nachdem er sich so weit entfernt hatte von allem, was er kannte und liebte, konnte er jeden Schutz brauchen.
    Ich weiß nicht, wie ich die ersten Tage ohne Grace überstand, aber irgendwie gelang es mir. Es war nicht leicht, vor allem, als ich am Samstag bei
Lee and Laurie
erzählte, dass mir zum zweiten Mal in zwei Monaten das Herz gebrochen worden war.
    „O Angie“, sagte Roberta mitleidig. Und nach einem Moment fuhr sie fort: „Nun, du hast ja noch Zeit. Wenn du nächstes Jahr jemanden kennen lernst, kannst du noch immer Kinder bekommen, bevor du fünfunddreißig wirst.“
    Und
das
sollte mich trösten?
    Michelle schüttelte empört den Kopf und spielte mit dem Armband, dass Frankie ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Offenbar war sie der Meinung, dass bei mir Hopfen und Malz verloren waren.
    „Alleine bist du sowieso besser dran“, erklärte Doreen und rümpfte ein wenig selbstgerecht die Nase.
    Ich war mir nicht so sicher, ob es besser war, allein zu sein. Aber ich war es, als ich an diesem Abend in Graces Wohnung ging, eine Tüte mit chinesischem Essen und die Sunday Times in der Hand, die ich durcharbeiten musste, falls ich eine Wohnung finden wollte, bevor Justin nach Hause kam. Wann immer das auch sein mochte.
    Doch selbst nachdem ich mich mit Hühnchen
Lo Mein
voll gestopft hatte, brachte ich es nicht über mich, den Immobilienteil aufzuschlagen. Stattdessen schaute ich mir ausgerechnet die Wahl zur Miss America an. Ich wunderte mich ein wenig, war ich doch davon ausgegangen, dass dieser Blödsinn inzwischen eingestellt worden war. Und doch schaute ich mir die komplette Veranstaltung an. Ich lächelte sogar, als die aktuelle Miss America ihre Krone an Miss New York übergab, die verkündete, dass sie ihre Zeit nutzen wolle, um sich gegen Brustkrebs einzusetzen, gegen Analphabetismus und für die Erhaltung großartiger New Yorker Bauwerke.
    Wenigstens Justin würde das glücklich machen …
    Justin. Ich seufzte, blickte auf die Zeitung, die noch immer unberührt auf dem Couchtisch lag. Ich würde nach New Jersey ziehen müssen, oder sogar noch weiter weg, um dieser Stadt zu entkommen, die mich dauernd an ihn erinnerte.
    Wie als Antwort auf ein unausgesprochenes Gebet klingelte mein Handy. Ich sprang von der Couch auf und durchwühlte meine Handtasche. Vielleicht war es Justin, der mir sagen wollte, dass er nach Hause kam, dass er Las Vegas hasste, dass er in New York sein wolle, nah bei allem, was ihm wichtig war, nah bei mir …
    Doch als ich das Handy endlich ganz unten in der Tasche fand und auf das Display schaute, sah ich, dass es meine Mutter war.
    „Wieso bist du nicht zu Hause? Es ist fast Mitternacht!“ kreischte sie in dem Moment, in dem ich ranging.
    Meine Mutter wurde nach wie vor panisch bei der Vorstellung, dass ich gelegentlich meine Wohnung nach Einbruch der Dunkelheit verließ. Verstehen Sie jetzt, warum ich ihr nie Details aus meinem Leben erzähle? Jedenfalls musste etwas passiert sein, wenn sie mich auf dem Handy anrief.
    „Ma, ich bin bei Grace. Und ich habe dir bereits gesagt, dass ich morgen früher komme, um dir beim Kochen zu helfen. Und ich bringe sogar die Wurst mit“, sagte ich, weil ich wusste, dass meine Mutter Nonnie nicht mehr bat, etwas fürs Essen einzukaufen. Weil Nonnie dann verschwand und lange Einkaufsbummel – oder weiß Gott was sonst – mit Artie unternahm.
    „Ich rufe nicht wegen der Wurst an!“ schrie sie. „Ich rufe wegen deiner Großmutter an. Nonnie – meine Mama! – hat Probleme mit dem Herz! Sie hatte furchtbare Schmerzen!“
    „Wo bist du?“ Ich zog bereits die Jeans über und suchte nach den Turnschuhen.
    „Kings County Hospital. Und Angela, nimm bitte ein Taxi. Ich will nicht, dass du um diese Uhrzeit mit der U-Bahn fährst.“
    „Schon gut, schon gut! Ich komme, so schnell ich kann.“
    Es war die längste Taxifahrt meines Lebens. Nicht nur, weil wir den ganzen Weg uptown fahren mussten, sondern weil ich außer mir vor Sorge war. Nonnie – meine Nonnie! Was, wenn ich es nicht mehr rechtzeitig schaffte? Was, wenn …
    Ich zog das Handy aus der Tasche. Instinktiv wollte ich Justin anrufen. Ich wusste, dass er mich hätte beruhigen können. Aber ich rief ihn nicht an. Ich fürchtete, dass allein der Klang seiner Stimme mich in
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