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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben
Autoren: P Enquist
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die Bureåkinder unermesslich reich machen wird. Einige der letzteren tauschen, mehr um eine missionarische Tat zu tun, aber auf jeden Fall, um Finnengroschen zu bekommen, die sie sparen können.
    Es ist ein beinahe andächtiges Gefühl, die Finnenkinder zu betrachten. Das Norran bringt jeden Tag auf der »Aus aller Welt«-Seite einen Kasten mit gebräuchlichen finnischen Wörtern, die man lernen kann. Da stehen die notwendigsten Wörter; aber außerhalb des Kastens im Norran , sozusagen, also bei den Finnenkindern selbst, finden sich andere und spannendere Wörter. Diese weiterreichenden Sprachkenntnisse sind notwendig, am Anfang hauptsächlich, um vögeln und Pimmel auf Finnisch sagen zu können, was keiner der Erwachsenen versteht. Dann auch zusammenhängende Sätze, und zwei der Finnenkinder bleiben und heiraten Kusinen von ihm.
    Es ist beabsichtigt, die Kinder auf die Dörfer zu verteilen und sie nicht länger als nötig im Lager festzuhalten. Nach Hjoggböle kommen zehn von ihnen. Einer heißt Jurma; wird bei Bäckströms in Östra einquartiert. Schon nach einem halben Jahr spricht er ausgezeichnet die Skellefteå-Mundart. Jemand, eine Dichternatur, die die Kunst des Reimens gelernt hat , also der Lährarinn’jong, der sich aufgrund der schützenden Autorität seiner Mutter gegenüber finnischen Einwanderern für unverwundbar hält, läuft da in der Pause herum und ruft Finn schiet drinn! Finn schiet drinn!
    Es ist nicht klar, was er damit meint, vielleicht dass Finnen im Haus auf den Fußboden scheißen, aber wahrscheinlich, dass Innentoiletten Verfall und einen Mangel an Zivilisation bedeuten; er hat ja ehrlich gesagt noch nie eine Innentoilette gesehen und deshalb angenommen, dass dies der Gipfel der Schmuddeligkeit sein muss. Lokus drinnen! Jurma, der sehr stark und alles andere als von ranker Konstitution ist, fängt ihn blitzschnell ein, schlägt hart und intensiv auf seine Oberarme, wo es wehtut, und schreit zwischen den Schlägen Na, wohin schiet de Finn??? und bekommt am Schluss von dem brüllenden Dichter am Boden die Bekräftigung Nä, he schiet nich drinn!!! Ich schwörs! He schiet nich drinn!!!
    Auf diese Art und Weise wird ihre Freundschaft besiegelt, die jedoch nur ein Jahr lang dauern wird. Es ist der einzige Freund, den er in seiner Jugend hat, außer Eeva-Lisa, und dem Wald, wenn man so will. Aber von Eeva-Lisa muss er schweigen.
    Die Mutter ist sehr darauf bedacht, dass er sich nicht überhebt. Deshalb lobt sie ihn selten oder nie.
    Sie hält ihn zur Demut an, es ist fast lästig, aber er nimmt jetzt immer erfolgreicher eine Demutshaltung ein. Demut ist fast ebenso verführerisch wie Verrat. Demütig oder Verräter, er glaubt, im Mittelpunkt zu stehen, wenn auch nicht in der Rolle eines Helden. Seine Demut ist bestimmt von der zurückhaltenden Art der Mutter.
    Aber ein Mal ist ihr ein Lob entschlüpft.
    Auf seine Frage, was sie eigentlich von seinen Aufsätzen hält, antwortet sie nur, Ich hatte noch nie einen Schüler, der besser geschrieben hat als du . Das ist alles, es genügt, er ist für den Rest seines Lebens überzeugt davon, dass er taugt, sie braucht nicht zu loben.
    Dieses eine Mal ist es ihr entschlüpft!
    Dies, dass er taugt, dass es richtig war, sich zu verteidigen, Ketchup, seine eingeübte Demut, eingelegte Zwiebeln, die Verräterrolle und der Doppelstockschub mit Zwischenschritt auf Skiern sind wichtige Korrektive zu dem Alptraum, dass er durch eine Steißgeburt schon zwei Jahre vor seiner behaupteten Geburt zum Erlöser heimgeholt worden ist.

Das Dorf besteht eigentlich aus mehreren Dörfern.
    Die Dörfer umgeben einen See, der Hjoggböleträsk heißt, durch ihn fließt der Bureälv, der aus dem Mjödvattsträsk kommt, dann macht der Fluss eine Biegung nach Norden und nach Osten, über Fahlkmarksträsket, Bodaträsket, Bursjön und fließt bis zum Meer bei Bureå. Um Hjoggböleträsket liegt das Dorf, wie eine Schlange! Die Ortsteile haben verschiedene Namen, Östra Hjoggböle, Västra Hjoggböle, Forsen und Sjön, Hjoggböle. Sechs Kilometer entfernt, am Bursjö, lebt seine Großmutter, der Hof liegt einsam am See, hundert Meter weiter liegt jedoch noch ein kleinerer Hof am Waldrand: Es sind nur diese beiden Höfe, Gammelstället und Larssonsgården. Im Larssonsgården, hundert Meter von seiner Großmutter Johanna entfernt, lebt der Vater des jungen Stieg, der Kriminalromane schreiben wird. Dass die zwei Höfe im Wald zwei Schriftsteller hervorbringen, ist hier das
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