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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen
Autoren: Jan Seghers
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gesagt. Da machen wir viele Kinder drin.
    Noch zweimal musste er abbiegen, fuhr noch ein Stück Richtung Osten, wo es bereits wieder Weinberge gab. Dann sah er den Hinweis:
     Hotzwiller, drei Kilometer.
    Er ließ sich Zeit, nahm noch einen Umweg. Er wollte ein Gefühl für das Dorf und dessen Lage bekommen, bevor er hineinfuhr.
     Endlich passierte er das Ortsschild. Die Morgensonne lag auf den Dächern und brachte sie zum Leuchten. Es waren nur wenige
     Menschen auf der Straße. Der Ort war kleiner, als er ihn sich vorgestellt hatte. Das fremde Auto wurde |475| neugierig beäugt. Ein Junge mit einem gelben T-Shirt sauste mit seinem Mountainbike ein paarmal an ihm vorbei. Aus der Backstube roch es nach frischem Brot. Der Postbote stand
     auf dem Bürgersteig und unterhielt sich mit zwei Frauen. Vor dem Bürgermeisteramt hielt ein kleiner Lieferwagen. Ein Mann
     stieg aus und leutete mit seiner Glocke. Marthaler konnte nicht erkennen, was der Mann verkaufen wollte. Langsam fuhr er weiter.
    Er kam sich wie ein Eindringling vor. Hinter den letzten Häusern hielt er an. Er stieg aus. Unter ihm lag eine Senke. Felder,
     einzelne Bäume, ein kleiner Bach. Dazwischen ein alter Bauernhof. Es war genau so, wie Kamphaus es beschrieben hatte. Der
     Hof sah unbewohnt aus. Die Fensterläden waren geschlossen. Ein kleiner Weg führte durch die Felder bergauf. Am Waldrand ragten
     die hellen Grabsteine des Friedhofs über die Mauer. Dort oben lag höchstwahrscheinlich auch Céleste Fouchard begraben.
    Plötzlich merkte er auf. Seine Augen verengten sich. Angestrengt schaute er auf das alte Gehöft. Da war etwas gewesen. Eine
     Bewegung, eine kleine Veränderung des Lichts.
    Dann sah er sie. Sie trat aus der Haustür und stand in der Sonne. Sie trug ein Sommerkleid aus roter Baumwolle.
    So, aus der Ferne, kam sie ihm noch anmutiger vor. Sie bewegte sich wie jemand, der hier zu Hause war. Sie ging um das Haus
     herum. Marthaler wurde nervös. Einen Moment lang verdeckte ihm das Gebäude die Sicht.
    Dann tauchte sie wieder auf. Sie nahm den schmalen Weg zwischen den Feldern und lief langsam den Hügel hinauf.
    Sie trug etwas in der Hand. Es sah aus wie ein Blumenstrauß. Manon war auf dem Weg zum Friedhof.
    Einen Moment lang überlegte er, was er tun sollte. Er selbst konnte sie nicht einfach festnehmen, nicht nach dem, was er inzwischen
     alles über sie wusste. Er beschloss, seine Kollegen |476| von der französischen Polizei zu benachrichtigen. Er wusste, dass er damit die unangenehme Aufgabe auf andere abwälzte. Aber
     er fand, in diesem Fall hatte er einmal das Recht dazu.
    Marthaler erschrak, als sein Handy läutete. Er meldete sich. Es war Tereza.
    «Wie geht es dir?», fragte sie. Ihre Stimme klang vorsichtig, so, als habe sie Angst, einen Fehler zu machen.
    «Danke, gut.»
    «Warum flüsterst du?»
    «Ich weiß nicht. Wie ist es in Madrid?»
    «Sehr schön. Und wie geht es deiner Freundin? Der aus Hamburg?»
    Marthaler zögerte einen Moment. Dann antwortete er: «Das war eine Lüge, Tereza. Es gibt keine Freundin aus Hamburg. Ich wollte
     nicht, dass du meinetwegen auf deine Reise verzichtest.»
    «Ist das wahr?»
    «Ja. Ich freue mich sehr, dass du anrufst.»
    «Ich würde dir so gern alles zeigen. Die Stadt ist laut und schön. Wir könnten im Café sitzen und zusammen ins Museum gehen.»
    «Nichts würde ich jetzt lieber machen», sagte er.
    «Meldest du dich?», fragte sie.
    «Das werde ich tun. Ganz bestimmt.»
    «Meine Nummer hast du?»
    «Ja.»
    «Und grüß die Schwester von mir.»
    «Welche Schwester?», fragte Marthaler.
    «Die schöne Blonde, die mir die Vase gegeben hat. Sie war sehr freundlich.»
    Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Tereza ihn noch immer im Krankenhaus vermutete.
    «Ja», sagte er. «Ich grüße sie, wenn ich sie sehe.»
    |477| Marthaler fasste in die Innentasche seines Jacketts. Eine letzte Mentholzigarette war noch in der Packung. Er steckte sie
     an. Als er sie aufgeraucht hatte, setzte er sich hinter das Steuer seines Mietwagens.
    Plötzlich hatte er es eilig. Er schaute sich nicht noch einmal um. Auf der N 420 fuhr er bis Molsheim. Danach konnte er die
     Autobahn nehmen.
    Am frühen Nachmittag erreichte er den Frankfurter Flughafen. Er ging zum Schalter der Lufthansa und erkundigte sich nach den
     Flügen nach Madrid. Er bekam ein Ticket für den nächsten Morgen.
    Er nahm sich vor, Carlos Sabato und seiner Frau Elena eine Karte aus Spanien zu schreiben.

|478| Epilog
    Kurz nach ihrer
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