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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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gebrochen hat. Diese Art der Mithilfe, von der ich meist nicht oder nur auf Umwegen erfahre, ist wertvoll für mich. Sie wissen ja, dass ich auf Anzapfungen nicht antworte. Ich halte es da mit Martin Luther: ›Wer mit einem Scheißdreck rammelt, er gewinne oder verliere, er gehet beschissen hinvon.‹ Außerdem wäre es schon rein zeitlich nicht möglich, all diesen Kastraten zu antworten, die sich da vereinigen. Dafür sorgen schon die jungen Hilfskräfte.« Zu denen er auch mich damals zählte, mit Recht. Und seine Göttinger Poststelle war auch noch ein paar Jahre nach meiner aktiven Wilflinger Zeit in Betrieb. – Den Lutherspruch habe ich mir übrigens zur Lebensmaxime gemacht.
    Der Secretarius also erledigte die Post, zunehmend von Göttingen aus. Auch andere Dienste waren hin und wieder gewünscht: »Die ›Arbeitsgemeinschaft kultureller Organisationen Düsseldorf‹ lädt mich zu einem Vortrag ein und will ein hohes Honorar zahlen. Wie ich aus dem beigefügten Prospekt ersehe, soll dort am 19. Januar [Franz] Schonauer sprechen. Außerdem hat das Ganze einen Emigrantengeruch. Den Leuten werde ich einen Brief schreiben, den sie sich nicht hinter den Spiegel stecken. Dazu brauche ich das Zitat aus Schonauer. Er spricht doch von seinem ›Degout, ein Deutscher zu sein‹? Bitte ermitteln Sie mir das. Vielleicht finden Sie dort auch noch ähnlich Blüten. Meinen Brief an die Düsseldorfer werde ich Ihnen dann zur Verfügung stellen, für den Fall, daß Sie sich auch mit dem degoutanten Autor beschäftigen wollen. Sie können den Text dann eventuell einflechten.« (11.12.1961) Wolf Jobst Siedler, damals Feuilletonchef des Berliner »Tagesspiegel«, hatte die betreffende Schonauer-Stelle zitiert und schickte auf meine Bitte den Nachweis, ich besorgte das Buch (ich weiß heute nicht mehr, was es war), strich die Stellen an und schickte es nach Wilflingen, zusammen mit einem weiteren Buch, darin Reinhard Döhls Gedicht »missa profana«, das in einer Göttinger Studentenzeitung, an der ich mitarbeitete, erschienen war; Döhl war deshalb wegen Gotteslästerung und des Verdachts öffentlicher Beleidigung verklagt, aber schließlich vom Bundesgerichtshof freigesprochen worden. Postwendende Antwort Jüngers: »Anbei die beiden Bücher zurück. Ich konnte mich nicht überwinden, hineinzusehen (…). Ich werde mich darauf beschränken, den Leuten zu antworten, daß ich mich nicht auf dasselbe Katheder stellen kann mit einem Burschen, der von der ›Degoutanz, die darin liegt, ein Deutscher zu sein‹, gesprochen hat.« Am 10. Januar 1961 schrieb er mir dann u. a.: »An die Düsseldorfer habe ich nicht geschrieben – ich hatte Besseres zu tun.«
    Die Wilflinger Wochen vergingen stets wie im Fluge. Ich habe nicht immer Tagebuch geführt während meiner Wilflinger Zeit, nur hin und wieder aus unseren Gesprächen notiert. Von meinem Aufenthalt vom 19. bis 26. Oktober 1962, während der Kuba-Krise, habe ich noch ein kleines Wilflinger Tagebuch gefunden.
    Die eben beschriebenen Hilfsdienste, die ich in Wilflingen als Secretarius leistete, waren nur ein Teil im Tageslauf. Der begann nach Jüngers schon legendärem morgendlichen, nun ja: Sprung in die mit kaltem Wasser gefüllte Badewanne mit einem gemütlichen Frühstück so gegen neun. Dabei erzählte Jünger oft von seinen Träumen; er träumte viel und meinte einmal, dass seine abendliche Bett-Lektüre sich oft in die Träume hinein verlängere. Er ist ja einer der ergiebigsten Träumer unter den Schriftstellern, seine Tagebücher sind voll von erzählten Träumen, deren manche sich in immer wiederkehrenden Sequenzen über Jahre hinweg wiederholen, variieren und ergänzen.
    Tagebuchnotiz vom 25. Oktober 1962: »Beim Frühstück erzählte er über seinen Traum: Er kam aus einer Höhle, in die er eingestiegen war mit Stierlein, seiner zweiten Frau, und dem Förster. Als er hinausging, schritt er über eine gelb-schwarz gemusterte, dünne giftige Schlange hinweg; die Schlange war aufgebläht, wie eine Retorte erschien sie ihm. Er sprach darüber mit dem Förster. Dann kam Stierlein aus der Höhle; der Chef rief ihr Warnendes zu, doch sie hörte nicht, sondern schritt ruhig und unangefochten über die Schlange hinweg. Als der Chef mit Stierlein davonging, nahm der Förster die Schlange auf und trug sie fort. – Der Chef meinte heute abend, als er uns den Traum, den er notiert hatte, vorlas, der Förster sei wohl ein Wissender gewesen. Doch könne man das bei einer eventuellen
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