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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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Gegner usw.: Am harmlosesten noch über eine Lesung Thomas Manns, die Jünger mit einigen Kumpanen aus der rechtsnationalen Szene, untern anderem mit Arnolt Bronnen, störte; sie besetzen die erste Reihe, und als Thomas Mann seine Lesung begann, schlugen alle in der ersten Reihe große Zeitungen auf. Thomas Mann habe daraufhin vom Pult herab Arnolt Bronnen angebrüllt als: Bronner , um ihn, so Jünger, an sein Jude-Sein zu erinnern; denn Bronnen hieß als der adoptierte Sohn des jüdischen Schriftstellers Ferdinand Bronner eben: Bronner.
    Jünger erzählte auch von den legendären Partys bei Ernst Rowohlt, da hätten sich alle getummelt, Rechte und Linke, da sei es hoch hergegangen; dort habe er Bronnen und einige Male Brecht getroffen, auch Thomas Wolfe. Goebbels wiederum sei er einige Male bei Bronnen begegnet. Übrigens habe Goebbels ihn öfter zu seinen Lesungen eingeladen – er schrieb, außer dem einzigen publizierten Roman »Michael« von 1929, laut Jünger auch Stücke –; und einmal sei er tatsächlich zu einer Goebbels-Lesung gegangen, saß auf einem Platz in der ersten Reihe – aber die Lesung sei so unerträglich gewesen, dass er sie nach zehn Minuten demonstrativ verlassen habe. Er deutete auch intime Beziehungen zu der Schauspielerin Lída Baarová an, die ja auch mit Goebbels liiert war. Daher, glaubte Jünger, rührte Goebbels Hass auf ihn – denn Goebbels forderte im »Dritten Reich« einige Male Jüngers Kopf, auch nach dem Erscheinen von »Auf den Marmor-Klippen«. Aber Hitler, der ein begeisterter Leser von Jüngers Schriften aus dem Ersten Weltkrieg war und ihm sogar ein Reichstagsmandat der NSDAP angeboten hatte, was Jünger ablehnte, habe verfügt: »Rührt den Jünger nicht an!« Ein Besuch Hitlers bei Jünger, 1926 in Leipzig, wurde kurzfristig telegrafisch abgesagt – nur einmal habe er Hitler in persona gesehen, sehr früh in den 1920er Jahren –, Jünger wörtlich: »Da machte er auf mich einen manischen Eindruck, aber auch den Eindruck, den vielleicht Mohammed auf gewisse Ziegenhirten gemacht haben kann, als ob da etwas dahintersteckte.«
    V. Aversionen
    Jüngers Verhältnis zum Nationalsozialismus und sein Verhalten im »Dritten Reich« waren in den 1950er und vor allem in den 1960er Jahren immer wieder ein Thema in den Feuilletons. Damals war Jünger keineswegs, wie spätestens ab Mitte der 1980er Jahre, der hochgeschätzte solitäre Schriftsteller, zu dem man nach Wilflingen pilgerte wie weiland zu Goethe nach Weimar. Im Gegenteil: Man hielt Distanz zu ihm – die meisten jungen Schriftsteller wichen jeglicher Kontamination mit ihm aus. Ich musste ihn in den 1960ern nicht selten verteidigen gegen den Anwurf, er sei doch ein unverbesserlicher Nazi. So publizierte »Die Zeit« im Frühjahr 1962 eine Serie über »Nazis«, in der auch ein Artikel über Jünger erscheinen sollte und, geschrieben von Siegfried Lenz, auch erschien. Zuvor war da über den unverbesserlichen Rechtsausleger Kurt Ziesel berichtet worden – eine in jedem Falle für Jünger unappetitliche und vor allem unangemessene Nachbarschaft; das hätte die »Zeit«-Redaktion auch damals durchaus erkennen und vermeiden müssen. Aber offensichtlich wollte sie den Skandal.
    Ich hatte bei dem damaligen Feuilletonchef der »Zeit«, Rudolf Walter Leonhardt, gegen die Bezeichnung »Nazi« für Jünger protestiert, und der hatte mir geantwortet: Letzten Endes hätte Jünger doch etwas mit den Nazis gemeinsam. Das hatte ich Jünger am 6. April 1962 geschrieben in einem Brief, in dem ich ihm auch mitteilte, dass ich seit dem neuen Semester vom Studium der Juristerei zur Literaturwissenschaft gewechselt war. Jünger antwortete mir am 17. April: »Daß Sie nun umsatteln wollen, habe ich mit gemischten Gefühlen gehört. Es gibt in unserer Literatur kein Beispiel dafür, daß das Jurastudium einer musischen Begabung geschadet hätte – von Goethe bis Storm. Im Gegenteil, es wirkt sowohl disziplinierend als auch ausgleichend. Wenn Sie nun sich der Germanistik und der Romanistik zuwenden, dann hoffentlich zum reinen Dienst an der Sprache und ohne die Gesellschaft der künftigen Feuilletonredakteure zu frequentieren, die dort herumwimmeln.
    Ich schreibe das auch deshalb, weil Sie trotz meiner Bitte schon wieder irgendwelche Umtriebe erwähnen, die gegen mich geplant werden. Wenn ich schon keine Notiz davon nehme, möchte ich das auch in den Briefen meiner Freunde nicht finden. Sie wissen, wie ich diese Dinge behandle: sie gehen
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