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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz
Autoren: Jaques Berndorf
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mich.
    »Das weiß ich nicht. Ich verstehe sowieso nicht, wieso jemand, nur weil er Spazierengehen will, einen Haufen eiserner Schläger mit sich rumschleppt und auf einen kleinen weißen Plastikball eindrischt.«
    »Menschen sind so«, meinte Wiedemann. »Scheiße, ich habe Karten für ein Konzert von AI di Meola heute abend in Trier.«
    »Ich auch«, seufzte ich. »Statt dessen hangeln wir uns hier durch die Bäume.«
    »Sie können doch fahren«, sagte er gutmütig.
    »Will ich nicht. Meola spielt eine gute Gitarre, aber diese Toten sind irgendwie spannender. Oder auch nicht.«
    »Der Tatort paßt mir nicht. Golfclubs sind sehr elitär und sehr diskret. Wieso gibt es hier einen Golfclub?«
    »Es geht die Sage, daß ein paar Jäger die Idee hatten. Ihnen war stinklangweilig, bevor sie abends und morgens auf die Hochsitze gehen konnten. Weil sie genügend Kleingeld hatten, machten sie den Club auf.«
    »Woher kommen die Mitglieder?«
    »Köln, Düsseldorf, Aachen, Koblenz, Brüssel, ein bißchen die ganze Welt. Manche haben sich sogar eine Zweitwohnung hier gekauft oder ein altes Bauernhaus umgebaut. Sie haben recht, das wird schwierig. Sind Sie eigentlich ein Lehrling vom alten Rodenstock?«
    Er grinste augenblicklich, gluckste vor Heiterkeit. »Oh ja, und was für einer! Der Alte muß streckenweise verrückt gewesen sein. Zuerst war ich nicht mal leichenfest. Ich sah eine Leiche, zum Beispiel eine alte Dame, friedlich im Bett entschlafen... und mir wurde schlecht, ich kriegte das Zittern, ich wußte meinen eigenen Namen nicht mehr. Der Zustand hielt manchmal stundenlang an...«
    »Aber der alte Rodenstock hat Sie geheilt.«
    »Und wie! Das muß so fast dreißig Jahre her sein. Wir hatten einen unklaren Todesfall. Eine Frau, so um die Vierzig, lag ordentlich zugedeckt im Bett. Rodenstock schickte mich hin. Bleib sitzen, und sieh dich um! sagte er. Ich saß da. Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Dann tauchte Rodenstock grinsend auf und fragte: Woran ist sie gestorben? – Das weiß ich doch nicht, sagte ich empört. Ich sollte hier sitzen und mich umsehen. – Ich seh ihn noch heute, wie er fassungslos den Kopf schüttelt, dann die Decke von der Toten reißt und mich anbrüllt: Guck hin, Junge! – Ich guckte hin, ich sah nichts. – Sanfte Rotstellen am Hals! brüllte er. Noch was? – Also, ich sehe nichts, sagte ich. – Scheide leicht offen! schrie er. Die Frau wurde getötet, nach Beischlaf getötet, klar? – Seitdem habe ich keine Schwierigkeiten mehr.« Er lachte laut. »Alles, was ich weiß, habe ich von ihm. Ich würde mich freuen, ihn zu sehen.«
    »Ich hole ihn«, versprach ich.
    Ich beobachtete, wie der Mann namens Wolf unendlich langsam die erste Hälfte der Bahn vom Abschlag her abging. Zuweilen kniete er bewegungslos im Gras und sah aus wie ein Opa, der mit dem Enkel Häschen in der Grube spielt. Dann ging er zwei Schritte nach rechts, drei nach links, schräg nach vorn, sah sich um, drehte sich, machte ein paar schnelle Schritte hinter eine niedrige Krüppeleiche und blieb dort volle zehn Minuten.
    Wiedemann kommentierte: »Der Mann ist irre, aber leider hat er nicht die richtige Schulbildung. Nur zugelassen für die mittlere Laufbahn. Der schlägt, wenn es um Spuren geht, sogar den ollen Winnetou. Aber niemals käme ein Regierungsrat auf die Idee, den an der Polizeischule unterrichten zu lassen. Scheißapparat! – Sie mögen die Polizei nicht, wie ich hörte.«
    »Das ist falsch«, widersprach ich. »Ich mag nur dumme Polizisten nicht.«
    Er sah mich an und griente. Dann wurde er unvermittelt ernst. »Wenn das Loch im Hals des Toten von Ihnen als Einschuß gesehen wurde, ich aber sag, es ist ein Ausschuß, können Sie sich dann die Waffe vorstellen?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Ich auch nicht«, nickte er. Er zündete sich einen rabenschwarzen Stumpen an und paffte nachdenklich vor sich hin. Das Ding stank entsetzlich.
    Der Mann namens Wolf erreichte die Toten und stellte sich neben sie. Er sah sie an, nahm einen Block aus der Tasche und schrieb etwas auf. Schließlich ging er in die Knie und starrte über die Leichen hinweg in den Wald. Plötzlich bewegte er sich unglaublich schnell, als versuche jemand, vor ihm zu fliehen. Er machte zehn, zwölf Schritte und war hinter den ersten Tannenstämmen verschwunden.
    »Chef«, rief jemand seitlich von uns. Es war der Mann, dem Wiedemann befohlen hatte, sich um die Temperatur der Toten zu kümmern. Er wirkte eifrig.
    »Also, die Temperatur sagt, sie
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