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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz
Autoren: Jaques Berndorf
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und stetig einen wunderschönen Hügel hochschob und wie die Amsel die ganze Sache neugierig mit schief gehaltenem Kopf beobachtete und dabei von fetten Regenwürmern träumte. Landleben ist aufregend.
    Gegen sieben Uhr schellte das Telefon, und ich dachte, das sei ein Irrtum. Das Klingeln hörte auf. Dann begann es wieder. Viermal. Dann hörte es auf. Beim dritten Mal griff ich verwegen zu. »Baumeister hier.«
    »Ja, ja«, sagte Erwin. Dann machte er eine Pause. Seine Sprechweise besteht im wesentlichen aus Pausen. »Also, ich muß dich mal anrufen.«
    Ich sah sein rotes, lebenslustiges Gesicht, seine Augen in den Unmengen streng parallel laufender Lachfalten. »Erwin, guten Morgen. Was ist denn?«
    »Ist ja noch sehr früh«, meinte er bedachtsam.
    »Es ist sehr früh«, bestätigte ich.
    »Es ist nämlich so«, sagte er. »Ich denke, ich muß mal anrufen, weil du ja Ahnung von diesen Dingen hast. Also, von so Sachen.«
    »Von welchen Sachen, Erwin?« fragte ich. Ich bemühte mich, ebenso langsam zu sprechen.
    »Von solchen Kriminalitätssachen«, erklärte er.
    »Was für Kriminalität?« fragte ich. Ich sah, wie er sich in den eisgrauen Haaren kraulte.
    »Na ja, alles, was mit Mord und Totschlag zu tun hat«, murmelte er. »Ich dachte also, ich ruf dich mal an. Habe ich dich aus dem Bett geholt?«
    »Nicht die Spur. Was für ein Totschlag denn, und was für ein Mord?«
    »Na ja, weiß ich doch nicht«, sagte er. »Ich bin auf dem Golfplatz, Loch sechzehn, du weißt schon.«
    »Ich weiß gar nix, Erwin«, erwiderte ich in slow motion. »Wieso auf dem Golfplatz um diese Zeit? Und wieso telefonierst du mit mir?«
    »Na ja.« Ich konnte sehen, wie er sich wiederum den Kopf kratzte, und diesmal grinste er wohl auch. »Wenn wir hier arbeiten, haben wir ein Handy, vom Verein. So ein Telefon ohne Schnur, du weißt schon. Wir müssen ja immer im Clubhaus anrufen können, wenn irgendwas ist, also, wenn irgendwo was am Platz nicht in Ordnung ist, also, wir wollen mal sagen, wenn...«
    Ich mag Erwin aufrichtig, aber je komplizierter der Alltag wird, um so länger braucht er, das in Worte zu fassen. Ich trällerte also: »Erwin-Schätzchen, warum rufst du an? Was ist passiert?«
    »Das weiß ich eben nicht«, gab er zu. »Also, ich kann mir keinen Reim drauf machen. Eigentlich müßte ich ja den Clubvorstand anrufen oder den Geschäftsführer. Aber wenn ich die jetzt anrufe, kann ich meine Papiere abholen und bin arbeitslos, und da dachte ich...«
    »Erwin-Schätzchen, nun mach mal langsam«, beruhigte ich ihn. »Irgendwas ist passiert, aber was? Also, ich denke mal, du sitzt auf einem kleinen Traktor oder sowas. Um dich herum ist ein bißchen Nebel, der Tau glitzert im Gras, alles ist friedlich, und du bist dabei, den Rasen zu mähen...«
    »Nein, nein, ich kehre den Rasen, ich habe den großen Rasenkehrer unterm Arsch. Ich komme von Loch fünfzehn – du weißt schon, die lange Bahn – auf die sechzehn. Und die macht ja eine Kurve. So um die Waldnase rum, weißt du ja. Und in dem Knick... na ja, ich denke also: Ich rufe den Siggi an.« Er schnaufte.
    »Erwin«, flüsterte ich behutsam, »was siehst du denn?«
    »Es sind zwei«, sagte er. »Ein Mann, eine Frau. Also, der Mann ist so ein Junger und die Frau so eine blonde Junge. Jedenfalls, die liegen da und sind irgendwie tot.«
    »Was heißt irgendwie, Erwin?«
    »Ich faß die nicht an. Ich doch nicht! Hinterher heißt es, ich hab was falsch gemacht. Also, ich dachte, ich ruf dich an.«
    »Beweg dich nicht, bis ich komme. Tu keinen Schritt. Telefonier auch nicht mehr, mach gar nichts. Ich bin schon unterwegs. Loch sechzehn? Verdammt noch mal, wo ist das?«
    »Du fährst also die Straße durch den Golfplatz, dann kommst du auf die Bundesstraße. Einfach überqueren bis zum Zaun. Da mußt du rüber, ich habe keinen Schlüssel. Dann hältst du dich rechts den Hügel rauf, gleich dahinter. Was mache ich, wenn die doch noch leben?«
    »Oh Scheiße!« sagte ich erstickt.
    Ich rannte auf den Hof in die Garage und fuhr los. Normalerweise habe ich mit meiner Garage keine Schwierigkeiten, aber diesmal gab es so ein merkwürdig knirschendes Geräusch, das in ein gellendes Kreischen überging, weil die rechte Tür meines wackeren Gefährts offen stand. Ich bremste, stieg aus und trat die Tür in die richtige Position. Diesmal blieb sie geschlossen, hatte allerdings eine kräftige Falte und eine erheblich bemerkbare Schieflage. Menschenwerk ist alles Tand.
    Der Tag hatte noch nicht
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