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Eifel-Blues

Eifel-Blues

Titel: Eifel-Blues
Autoren: Jacques Berndorf
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Angst, das Bewußtsein zu verlieren. Ich ging die Treppe rückwärts hinunter, Stufe um Stufe. Dann drehte ich mich um. Ich ging durch eine Tür, auf der „Zum //o/stand. Es war sehr dunkel, aber es gab eine mattblaue Einfahrt, die auf die Straße mündete. Da stand mein Wagen. Alles war sehr still und friedlich.
    Ich sah durch die Kneipenfenster, daß drinnen die Bundeswehrler noch tranken, der Wirt hatte die meisten Lichter gelöscht.
    Der Mann, der sich Dr. Messner nannte, stand ganz still neben meinem Wagen und lächelte mich an und sagte nichts.
    Ich sagte auch nichts, schloß zittrig den Wagen auf und stieg ein, wobei ich fiebrig dachte: nicht umfallen, nicht umfallen! Das einzige, was ich hörte, war mein eigenes mühsames Atmen. Einen Augenblick lang dachte ich daran, schnell zu reagieren, ihn zu täuschen, ein schnelles Wendemanöver zu machen, ihn einfach über den Haufen zu fahren. Dann verpuffte die Idee, ich wollte weg, nichts als weg. Ich war zu jedem Manöver unfähig, ich hätte ihn mit dem Auto nicht einmal getroffen.
    Ich fuhr sehr langsam, weil mein Blickfeld sich dauernd veränderte. Ich weiß es nicht genau: Ich bildete mir ein, normal zu fahren, aber alles ging unglaublich langsam. Einmal sah ich fasziniert meine Hand auf dem Weg zum Schaltknüppel: Sie kroch, als habe sie Angst, als müsse sie sich anschleichen an das blöde Ding.
    Mein Kreislauf spielte verrückt, und ich konnte nicht ausmachen, was mehr schmerzte, mein Kopf, mein Körper, meine Beine.
    Auf einer Anhöhe der Bundesstraße fuhr ich in einer Kurve schnurstracks in den Graben, unfähig, das Lenkrad zu bewegen, unfähig zu bremsen.
    Als ich erwachte, lag mein Kopf auf dem Beifahrersitz, die Scheinwerfer leuchteten gegen die grasgrüne Wand des Grabens. Irgendwie konnte ich starten und rückwärts auf die Straße setzen. Ich brabbelte unaufhörlich, wollte mir Mut machen. Einmal meinte ich, daß ich haltlos weinte, das erschreckte mich sehr.
    Ich fuhr in mein Dorf und dachte in Höhe des ersten Hauses, daß ich nun wirklich in Sicherheit sei, denn wenn ich jetzt bewußtlos würde, käme bestimmt irgend jemand und würde mir helfen. Aber ich wurde nicht bewußtlos. Ich fuhr die letzte Steigung hinauf und bog in den Hof.
    Im Wohnzimmer brannte Licht, und ich dachte dankbar: Alfred hat gerochen, daß du nach Hohbach fährst. Er hat gerochen, daß es Stunk gibt. Jetzt hockt er da und wartet auf dich. Alfred, Liebling!
    Ich sah auf der Uhr am Armaturenbrett, daß es drei Uhr war. Ich mußte für die acht Kilometer weit mehr als eine Stunde gebraucht haben. Die Schulter schmerzte wie verrückt, als ich die Handbremse anzog. Ich schaltete den Motor nicht aus, drehte auch nicht die Scheinwerfer ab, ich hatte einfach panische Angst vor jeder Bewegung. Ich ließ mich seitwärts aus dem Auto gleiten und hatte das Gefühl, daß ich tief vorgeneigt sogar gehen könnte. Die Haustür war offen und ich schlurfte durch den Flur. Die Tür zum Wohnzimmer stand auf, Alfred hatte Feuer im Kamin angezündet.
    Ich hielt mich am Türrahmen fest und versuchte »guten Morgen« zu sagen. Das klappte nicht allzu gut. Dann sah ich Elsa, das heißt, ich sah ihr dunkles Haar über einer Sessellehne.
    »Wie kommst du denn hierher?« fragte ich.
    »Ich sagte doch, ich würde kommen«, murmelte sie ein wenig arrogant. Dann stand sie auf und drehte sich zu mir herum.
    Dann muß sie all das Blut an mir gesehen haben. Ich sah, wie sie schrie und wie ihre Hände zu ihrem Gesicht flogen, aber ich hörte nichts mehr. Ich stürzte nach vorn.

ZWEITES KAPITEL
    Sie hatten mich ins Schlafzimmer geschleppt. Ich lag auf dem Rücken auf meiner großen Matratze unter einem Laken. Neben mir hatten sie eine Zeitung mit einem Gummiband um den Lampenschirm geschnallt, um das Licht zu dämpfen. Vor das Fenster hatten sie ein weißes Tuch gespannt. Durch das Tuch schimmerte Licht, es war Tag. An dem kleinen Rohrtischchen saß Elsa und sah hübsch und besorgt aus. Ihr gegenüber saß Dr. Naumann. Ich kannte ihn, ich war vor einem Jahr in panischer Angst zu ihm in die Praxis gerannt, weil ich einen Herzinfarkt befürchtete. Er war seit fünf Jahren in der Gegend, etwa vierzig Jahre alt, mit sanft gewellten braunen Haaren über einem schmalen Gelehrtengesicht. Ich wußte nicht viel von ihm, außer daß seine Frau eine Frauengruppe für Bäuerinnen aufgemacht hatte. Das sprach eindeutig für ihn.
    Ich konnte nur schwer sprechen, weil er auf beide Mundwinkel Pflaster geklebt hatte.
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