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Eifel-Blues

Eifel-Blues

Titel: Eifel-Blues
Autoren: Jacques Berndorf
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Nachrichtenjungen benutzten, als Postillon d'amour, als Arrangeur heimlicher Treffen. Zuweilen, das mag sein, fiel irgendeine höchst geheime Nachricht auch für ihn ab, aber in der Regel war es Klatsch, nichts wirklich Wichtiges, und er war verzweifelt bemüht, so zu tun, als wisse er alles aus den Kabuffs der Macht, als sei ihm nichts neu.
    »Was für eine Geschichte?« fragte er gedehnt, als habe er meine Frage nicht verstanden. »Nun ja, wie gesagt: achttausend pro Monat, solange du an der Geschichte werkelst. Ich bin bloß eine kleine Nummer, verstehst du? Ich bin bloß der Chef vom Dienst. Und jetzt verbinde ich dich mit dem Chef.« Es klickte.
    Da war sie, die geliebte, schnarrende Stimme. »Mein Freund, wie ich höre, machen Sie Urlaub. Na, macht nix. Können Sie sich vorstellen, daß Ihr Telefon abgehört wird? Verfassungsschutz, BND oder MAD und CIA und wie diese Jungenclubs alle heißen.«
    »Ich weiß, daß ein paar von denen ständig Langeweile haben und sich gern in die Intimitäten anderer einmischen. Voyeure.«
    »Ihr habt doch alle die Paranoia. Na gut, dann machen Sie sich auf die Socken und rufen mich aus einer Zelle an, klar? Und innerhalb der nächsten zehn Minuten, bitte.«
    »Das geht nicht, das geht wirklich nicht. Wir haben hier im Dorf nur eine Zelle, und die ist immer kaputt, weil die Jugendlichen darin rumknutschen. Die nächste ist drei Kilometer weg.«
    »Zwanzig Minuten, mehr aber nicht«, sagte er. Dann murmelte er noch verächtlich: »Dorf!« und »Eifel!« und hängte ein.
    Ich zog mir einen Trainingsanzug an und ging auf den Hof. Es regnete sanft, der Wagen sprang widerwillig an, ratterte, als sei er verrostet. Krümel kam schmal und hübsch heran und miaute. Ich ließ sie rein.
    »So eine Scheiße«, sagte ich ihr. »Aber für achttausend Eier kann ich dich bis an dein Lebensende ernähren.« Sie sprang auf die Rückbank, rollte sich ein und schloß die Augen. Sie mag es, wenn das Auto durch die Landschaft schaukelt.
    Unten am Dorfbrunnen stand Alfred mit einem Hänger voll Heu und schrie: »Ich bringe dir nachmittags dein Holz!« Ich nickte, grüßte männlich mit lässig leicht erhobener Handfläche und fuhr weiter. Auf der Anhöhe zwischen den Dörfern peitschte der Regen in einer Bö fast waagrecht, aber weit im Westen war der Himmel blau. Ich würde gutes Wetter haben, nicht zu heiß. Ich mußte Holz schlagen, ich mußte die Natursteinmauer bepflanzen, ich mußte die Pflaumenbäume ausputzen, ich mußte den Abfall aus der Garage abtransportieren, ich hatte genug zu tun. Das alles in fast frischer Luft.
    In der Telefonzelle hockte sich Krümel auf die Bücher und sah mir zu, wie ich das Kleingeld ausbreitete, die Münzen in den Schlitz steckte und wählte.
    »Ich bin's wieder, Siggi Baumeister.«
    »Gut, gut«, sagte er. »Haben Sie genug Kleingeld? Das dauert nämlich eine Weile. Ich muß Ihnen eine Geschichte erzählen, eine ganz komische Geschichte.«
    »Ich habe genug Kleingeld.«
    »Na gut. Also: Ich war gestern in Bonn beim Verteidigungsminister. Nichts Besonderes, nur ein Interview. Wir wollten wissen, ob er denn bereit ist, ein bißchen weniger zu rüsten. Er ist natürlich im Prinzip bereit, aber eigentlich ist er nicht bereit, weil er richtigen Frieden nicht mag. Klar, ist sein Job. Na gut, anschließend benahm er sich leutselig, ging mit uns in die Kantine essen. Der muß ja seinem Volk zeigen, daß er mit den bekanntesten Publizisten dieser Erde auf du und du steht. Der Fraß war saumäßig, der Minister stinklangweilig. Er erzählte mal wieder, wieviel gute Freunde er in Washington hat, und daß die eigentlich ohne ihn nicht leben können, wenn sie ehrlich sind. Gut, soweit auch nichts Besonderes. Dann wurde der Minister zum Telefon gerufen, und ich blieb da allein hocken.« Er räusperte sich hingebungsvoll, was besagt, daß es jetzt kam. »Sie müssen sich vorstellen, daß diese Kantine ein großer, niedriger Raum ist, ungefähr so anheimelnd wie das Pissoir auf dem Hauptbahnhof in Hamburg. Die Tische stehen dicht an dicht. Am Tisch hinter mir Zivilisten, zwei Männer, ungefähr fünfzig Jahre alt. Die unterhielten sich vollkommen normal, sofern in diesem Haus jemand normal ist. Anfangs habe ich nicht begriffen, um was es ging, aber dann habe ich es kapiert. Da ist ein Doppelmord passiert. In der Eifel. Irgendwo in Ihrer Nähe in einem Munitionsdepot. Also, der Mord ist nicht in dem Depot passiert, sondern außerhalb auf einem Waldweg. Der Ort heißt Hohlbach
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