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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter
Autoren: Rose Gerdts
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Gemüsehändlers aus Anatolien   … Ich bitte Sie!»
    «Woher wussten Sie, dass Nilgün schwanger war?», unterbrach ihn Navideh.
    «Sie wirkte so aufgelöst an dem Tag. Ich habe ihr einen Tee angeboten, und wir haben ein wenig geredet. Schließlich habe ich sie direkt gefragt, ob sie etwas bedrückt. Da brach sie in Tränen aus und sagte mir, was passiert war.» Er schnaubte empört. «Ehrlich gesagt war mir in dem Moment auch zum Heulen zumute. Vor allem als sie ankündigte, das Kind behalten zu wollen.»
    Er sah Steenhoff aufgebracht an. «Sie hätte Romans ganzes Leben zerstört. Nur weil der Junge einmal nicht aufgepasst hat   … Ich habe auf sie eingeredet und ihr schließlich auch Geld geboten. Aber sie wollte nicht mit sich reden lassen und sprang auf. Ich bin hinterher, wollte sie unbedingt überzeugen. Aber sie versuchte abzuhauen. An der Treppe habe ich sie dann erwischt und festgehalten. Sie riss sich los, ich habe versucht, sie zu packen und   …»
    «Was ist dann passiert?», fragte Steenhoff scharf.
    «Sie hat sich heftig losgerissen und ist gestürzt. Die ganzeTreppe runter. Es hat furchtbar gepoltert. Ich werde diesen Anblick nie vergessen. Ihr Körper lag völlig verdreht auf den untersten Treppenstufen. Sie rührte sich nicht mehr.» Er weinte.
    Navideh spürte, dass die Tränen ihm selbst und nicht etwa Nilgün galten.
    «Als ich Erste Hilfe leisten wollte, merkte ich, dass sie tot war. Es war schrecklich   …» Er bedeckte seine Augen verschämt mit der rechten Hand.
    Petersen und Steenhoff warteten.
    «Dann bin ich in Panik geraten», fuhr Klaus Rodewaldt fort. «Ich habe sie in die Abstellkammer geschleift und fieberhaft überlegt, was ich jetzt tun sollte.»
    «Warum nicht die Polizei anrufen?», fragte Navideh provozierend.
    Er musterte sie wütend: «Mein Ruf wäre ruiniert gewesen. Ein junges, schwangeres Mädchen, noch dazu Türkin aus einfachsten Verhältnissen, stirbt im Haus eines angesehenen Bremer Hochschullehrers – es wäre immer etwas an mir und meiner Familie haftengeblieben. Immer. Die Zeitungen wären über uns hergefallen. Womöglich wäre Roman auch noch in Verdacht geraten. Nein, ich musste es für ihn, für meine Familie tun. Das war ich ihnen schuldig. Unser Name sollte nicht öffentlich in den Dreck gezogen werden.»
    «Und deswegen haben Sie Roman am frühen Abend eine SMS von Nilgüns Handy geschrieben, dass sie sich trennen will.»
    «Ja. Ich hatte gehofft, dass seine Wut über ihre Entscheidung seine Trauer irgendwann überdecken würde.»
    Navideh gelang es nur mühsam, ihre Abscheu zu verbergen. Aber Klaus Rodewaldt war zu sehr bei sich, um zu merken, wie seine Worte auf die beiden Beamten wirkten.
    «Warum haben Sie den Leichnam am Bunker in Farge abgelegt?», wollte Steenhoff wissen.
    Rodewaldt zuckte mit den Schultern. «Falsche Fährte, Spurenverwischung, Ablenkung? Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich wusste, dass dort schon einmal ein Verbrechen an einer jungen Frau geschehen war. In dem Moment, in dem ich die Leiche in der Nähe des alten Tatortes ablegen würde, hätte die Polizei sofort Nilgüns Landsleute in Verdacht.»
    Petersen presste die Lippen zusammen. Wie gern hätte sie den Mann jetzt auseinandergenommen. Satz für Satz in einer stundenlangen Vernehmung seziert. Aber das musste warten. Die Ärzte hatten ihnen eine halbe Stunde zugestanden. Keine Minute länger.
    «Warum sind Sie Saliha letzte Nacht gefolgt?»
    «Das Mädchen hatte Nilgüns Ohrring in der Kammer gefunden. Sie hat eins und eins zusammengezählt. Saliha hätte unsere Familie zerstört. So wie es vorher ihre Schwester tun wollte. Ich musste mich entscheiden. Diese Gemüsehändler oder wir.» Heftig schlug er mit der flachen Hand auf die Bettdecke. «Jeder verantwortungsvolle Vater hätte genauso gehandelt wie ich.»
    «Sie befanden sich in einer Notlage.» Steenhoffs Worte klangen wie eine verständnisvolle Feststellung.
    «Ja. Genau. Wie gesagt, ich war in Panik. Was hätten Sie gemacht?»
    «Ich wäre sicherlich auch außer mir gewesen», antwortete Steenhoff vage und ließ Rodewaldt in dem Glauben, er könne ihn verstehen.
    Navideh übernahm dagegen den Part der Anklägerin. «Sie hätten, verdammt nochmal, ihrem Sohn alles erklären können und müssen. Schließlich war es ein Unfall.»
    Klaus Rodewaldt schüttelte unwillig den Kopf. Hilfesuchend sah er Steenhoff an. «Er hätte mir nie verziehen. Ich war schon zu weit gegangen. Nein, ich   …» Er stockte.
    Steenhoff
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