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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter
Autoren: Rose Gerdts
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nickte ihm aufmunternd zu.
    «Ich musste handeln. Ob ich wollte oder nicht. Diese Göre musste weg. Weg!» Seine Stimme überschlug sich.
     
    Als sie aus dem Zimmer gingen, stand Cornelia Rodewaldt vor der Tür. Sie wirkte versteinert. Steenhoff konnte ihr dennoch nicht ersparen, sie anzusprechen.
    «Frau Rodewaldt, Sie können gleich zu Ihrem Mann hineingehen.»
    Sie nickte.
    «Heute Nachmittag werden wir uns noch mit Ihnen und Roman unterhalten müssen.»
    Die Frau zeigte keine weitere Reaktion.
    «Wie geht es Ihrem Sohn?»
    Sie holte tief Luft. Steenhoff sah, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. Mühsam suchte sie nach Worten: «Wie es einem jungen Menschen so geht, wenn er erst die Liebe seines Lebens und dann das Vertrauen zu seinem Vater verloren hat.»
    «Wollte er nicht mit?», erkundigte sich Navideh vorsichtig.
    Sie richtete sich auf. «Er will meinen Mann nie wiedersehen!»
    «Und Sie?»
    Sie presste die Lippen aufeinander. «Ich weiß nicht. Ich suche in mir die ganze Zeit nach einem Gefühl für ihn. Aber da ist nichts. Keine Verbundenheit, keine Sorge um seine Gesundheit, keine Wut. Es ist, als würde ich einen Fremden im Krankenhaus besuchen, der nichts mit meinem bisherigenLeben zu tun hat.» Cornelia Rodewaldt schwankte. Sie war kurz davor, komplett die Fassung zu verlieren.
    Plötzlich drehte sie sich auf dem Absatz um, murmelte eine Entschuldigung und lief in Richtung Ausgang.
     
    Schweigend fuhren Petersen und Steenhoff zurück ins Präsidium.
    Navideh setzte sich eine große Kanne persischen Tee auf, während Steenhoff dem Kommissariatsleiter Bericht erstattete. Sie versuchte, sich auf die Vernehmung von Mutter und Sohn am Nachmittag vorzubereiten, aber ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Mit einem großen Becher Tee setzte sie sich auf die Fensterbank und schaute nach draußen. Der Herbst lag in der Luft. Wind wirbelte einen Blätterhaufen am Rande eines Beetes auf. Überrascht sah sie, wie Steenhoff in Begleitung von Tewes in Richtung Kantine lief. Die Art, wie Steenhoff über den Parkplatz rannte, verriet den geübten Läufer.
    Einem plötzlichen Impuls folgend, drehte sie sich so ruckartig um, dass ihr Tee überschwappte. Aber sie schenkte den Teeflecken auf ihrer dunklen Jeans keine Beachtung. Sie setzte sich an den Computer, rief die Suchmaschine auf und gab den Begriff «Bunker Valentin» ein. Kurz darauf hatte sie gefunden, wonach sie suchte.
    Navideh wählte die Nummer des Geschichtsvereins und lauschte gespannt dem hohlen Tuten. Das Telefon hatte keine dreimal geklingelt, als sich eine ältere Männerstimme meldete.
    Mit einem Mal war Navideh verlegen. Ob sich ihr Sturz in die Grube schon herumgesprochen hatte? Vermutlich lachten die Leute schon herzhaft über so viel Tölpelhaftigkeit der Polizei. Spontan gab sie sich als Christine Bunsickvom Landeskriminalamt Bremen aus. Dann kam sie zu ihrem eigentlichen Anliegen: «Ich bin von meinen beiden verunglückten Kollegen gebeten worden, herauszufinden, wozu diese Grube früher diente.»
    Der Mann am anderen Ende schwieg.
    «Sind Sie noch da?», fragte sie irritiert.
    «Ja. Sicher.» Er räusperte sich.
    Navideh wagte kaum zu atmen. Die Vorstellung, dass dort unten vielleicht früher Tote hineingeworfen worden waren, hatte sie in den letzten Nächten immer wieder beschäftigt. Die Antwort ließ sie einen kurzen Augenblick lang schwanken.
    «Das war eine Fäkaliengrube. Die Zwangsarbeiter mussten damals große Gruben buddeln, über die ein schmales Brett gelegt wurde. Fertig waren die Toiletten.»
    Navideh schüttelte es. Das Ganze war über 60   Jahre her, aber sie hatte den dringenden Wunsch, sich sofort Hände und Gesicht zu waschen.
    «Danke für die Auskunft», stammelte sie und wollte gerade auflegen, als sie noch hastig hinzufügte: «Bitte behalten Sie diese Auskunft für sich. Aus Ermittlungsgründen versteht sich.»
    «Genau dasselbe hat Ihr Kollege, Herr Steinhoff oder so, vorgestern auch gesagt. Er warnte mich eindringlich vor einer Frau Petersen. Ist wohl Reporterin oder so. Aber Ihnen kann ich es ja sagen. Sie sind ja auch von der Polizei.»
     
    Als Navideh eine halbe Stunde später aus den Waschräumen zurück ins Büro kam, schaute Steenhoff sie erstaunt an. «Ich dachte schon, ich müsste eine Vermisstenmeldung aufgeben. Aber Marianne Schwenning behauptete steif und fest, du wärest die ganze Zeit auf Toilette. Alles okay bei dir?»
    «Ja. Alles bestens», log sie und überging seinen fragenden Blick wegen
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