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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter
Autoren: Rose Gerdts
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ihre Brüder sich anschrien.
    «Du Idiot, du hast sie entkommen lassen», fuhr Osman seinen älteren Bruder an.
    «Nein, unmöglich. Sie muss hier noch irgendwo sein», versuchte Murat ihn zu beschwichtigen. Erstaunt stellte Saliha fest, dass Murat ängstlich klang.
    «Erst verrätst du ihr
Babas
Pläne mit der Hochzeit und jetzt   …»
    «Ich habe nichts verraten», widersprach Murat.
    «Halt’s Maul und guck nach, ob sie in eine der Klassen verschwunden ist.»
    Saliha hörte, wie jemand vergeblich an den verschlossenen Türen ruckelte. Sie zwang sich, flach zu atmen, um möglichst kein Geräusch von sich zu geben.
    Am anderen Ende des Flurs riss jemand die Gardinen zurück. «Sie muss hier irgendwo sein. Guck auf deiner Seite nach.»
    Im selben Moment schob eine Hand den Vorhang beiseite, und Saliha sah direkt in die Augen ihres Bruders Murat.
    Ihr stockte der Atem. Instinktiv schaute sie durchs Fenster nach unten auf den Hof. Es waren zwei Stockwerke. Sechs, vielleicht sieben Meter. Ihre letzte Chance. Sie hatte eine ähnliche Szene schon einmal im Fernsehen gesehen. Mit etwas Glück würde sie es überleben. Doch die Heirat wäre geplatzt. Wer würde schon einen Krüppel heiraten? Ihr Körper spannte sich.
    Murats Augen weiteten sich vor Schreck. Er schüttelte den Kopf. Dann ließ er die Gardine wieder fallen.
    «Sie ist weg», rief er seinem Bruder zu. «Lass uns unten nachsehen. Vielleicht ist sie längst
Baba
in die Arme gelaufen.» Seine letzten Worte gingen in einem furchtbaren Geschrei unter.
    Saliha hörte eine dritte Männerstimme, die Osman befahl, sich flach auf den Boden zu legen. Doch ihr Bruder schien nicht mehr ansprechbar. Außer sich vor Wut, stürzte er sich auf den Mann. Saliha hörte, wie die beiden miteinander kämpften und abwechselnd aufstöhnten. Vorsichtig lugte sie aus ihrem Versteck hervor. Gerade rammte Osman dem Kommissar sein rechtes Knie in die Magengrube. Der Polizist klappte wie ein Taschenmesser zusammen. Sofortbekam er einen zweiten Tritt gegen den Kopf und stürzte schwer zu Boden.
    Murat lief unschlüssig auf die Kämpfenden zu, griff aber nicht ein.
    Osman nahm erneut Anlauf, um dem Mann seine Stiefel in die Eingeweide zu stoßen. Doch mit erstaunlicher Behändigkeit drehte sich der Kommissar plötzlich zur Seite. Der Tritt ging ins Leere. Osman strauchelte. Der Mann nutzte die Schwäche seines Gegners sofort aus und haute ihm noch im Liegen mit voller Wucht die Beine weg. Dann fiel er über Osman her und verpasste ihm zwei harte Faustschläge ins Gesicht.
    Saliha verließ unbemerkt ihr Versteck und stürzte die Treppe am anderen Ende des Flurs hinunter. Hinter ihr befahl der Kommissar Murat, sich auf den Boden zu legen und sich nicht zu rühren.
    Im Schatten der Gebäude rannte Saliha über den Hof und vom Schulgelände herunter. Im selben Moment fuhren von allen Seiten Wagen mit Blaulicht auf die Schule zu. Saliha kletterte über einen Zaun und sprang, bevor der erste Wagen auf den Schulhof einbog, in die Hintergärten der benachbarten Gebäude.
    Ein paar Minuten später trat sie am anderen Ende des Häuserblocks wieder auf die Straße. Mit übermenschlicher Kraft zwang sie sich, ruhig weiterzugehen. Wie ein abendlicher Spaziergänger.
    Niemand schien sie zu beachten.
     
    Navideh war erst wenige Meter weit gekommen, als der Hausmeister sie stoppte.
    «Wer sind Sie? Wohin wollen Sie?», herrschte er sie unfreundlich an.
    «Kriminalpolizei. Lassen Sie mich durch!» Sie wollte an ihm vorbeirennen, doch er packte sie wütend am Arm.
    «Nix da, mein Mädchen. So geht’s nicht. Erst ausweisen. Vielleicht habe ich ja hier endlich die Diebin, die seit einigen Wochen ihr Unwesen in meiner Schule treibt.» Er grinste sie böse an.
    «Sie behindern einen Polizeieinsatz, Sie Idiot!» Navideh riss sich los und schob ihre Jacke beiseite. Der Blick auf ihre Dienstwaffe ließ den Mann erbleichen.
    «Was, ich verstehe nicht   …»
    Erleichtert hörte Navideh, wie sich in der Ferne mehrere Polizeifahrzeuge unter Alarmfahrt der Schule näherten.
    Sie wollte gerade in den ersten Stock des Gebäudes rennen, als plötzlich Klaus Rodewaldt vor ihr stand. Er kam direkt aus dem Kellergeschoss. Die Sirenen hatten ihn aufgeschreckt. Bei ihrem Anblick wirkte er völlig perplex. Er hob abwehrend die Hand und ging, als sei sie nicht mehr vorhanden, an ihr vorbei zum Ausgang.
    «Stehen bleiben!»
    Klaus Rodewaldt reagierte nicht. Er schien Petersen ausgeblendet zu haben.
    «Stehen bleiben, oder
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