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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition)
Autoren: Katrin Seddig
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Merkwürdigkeit ihres Bruders, sie hätte ihn gerne angepasst, weil sie ständig in Scham und Furcht um ihn lebt, unnötigerweise. Während Ava das durch den Kopf geht, erbost sie Danilos Geplapper über seine Reise plötzlich. Es kommt ihr vor, als wenn er die Kinder belügt, weil ihn andere, wichtigere Dinge beschäftigen. Weil er die Kinder benutzt, um nicht mit ihr reden zu müssen. Darin täuscht sie sich aber.
    Als die Kinder im Bett liegen, ändert sich Danilos Gesichtsausdruck, und er wird ernst. Er öffnet sich eine Flasche Bier und setzt sich im Wohnzimmer auf einen Stuhl. «Ava, ich will ein paar Dinge besprechen.» Unter den Augen und um die Nase herum haben sich rote Flecken gebildet, wie sie bei Danilo sonst nur zu sehen sind, wenn er stark betrunken ist, was sehr selten vorkommt. Ava setzt sich nicht auf den Stuhl ihm gegenüber. Sie setzt sich auf das Sofa. Sie will das Spiel der Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit ihm gegenüber nicht mitspielen. Wenn er auf dem harten Stuhl am Tisch sitzen will, dann soll er das tun. Sie macht es sich im Sofa gemütlich. Sie hört nach den Kindern. Die Kinder schlafen nicht. Die Kinder werden immer später müde.
    Danilo nimmt einen langen Schluck aus seiner Bierflasche und stellt das Bier dann etwas zu laut auf den Tisch. Dann schwenkt sein Blick rüber zu Josip Androsevich neben dem Fernseher, und er sagt, indem er sich vom Stuhl erhebt: «Als Erstes verschwindet der.» Und er nimmt den Josip in die Arme und geht mit ihm aus der Wohnung. Unten hört Ava den Deckel von der Mülltonne. Zeitgleich bellt ein Hund in derselben hohen, ängstlichen Tonlage wie vorhin, als sie die Einkäufe in den Kühlschrank räumte. Sie will aufstehen und nachsehen, ob es sich tatsächlich um den selben gelben Hund handelt oder ob sie sich nur in diesen unwichtigen Gedanken verbeißt, um sich von anderen Gedanken abzulenken, die gefährlicher in ihr Leben greifen. Aber sie steht nicht auf, sie sieht nicht nach dem Hund, sie sieht auch nicht nach Danilo, der offensichtlich seinen Vater im Mülleimer entsorgt, nachdem er die Heimat seines Vaters bereist hat. Sie ist für diesen Moment erstarrt.
    Oben setzt sich Danilo wieder auf den Stuhl an den Tisch und sagt: «Mein Vater ist vor sieben Jahren gestorben. Er ist 1981 nach Kroatien gefahren, um seine Mutter zu beerdigen, und ist davon nicht zurückgekommen. Soweit ist die Geschichte bekannt. Was ich nicht wusste, mein Vater hatte sich in Kroatien eine neue Frau genommen, eine Frau aus seinem alten Dorf, die er von früher, von der Schule her noch kannte. Er hat sie bei der Beerdigung wiedergetroffen und ist dageblieben. Er hat zwei Kinder mit ihr bekommen, zwei Mädchen, und ist dann schön, vor sieben Jahren ungefähr, am Alkoholismus gestorben. Ich habe gedacht, na das hätte er wohl auch hier haben können, sich totsaufen. Aber gut, der Schnaps in Kroatien hat ihm wohl besser geschmeckt, und die Frau wohl auch.»
    «Danilo», Ava schaut vom Sofa hoch, auf die dunkler werdende Gestalt Danilos, die sich gegen das Fenster abzeichnet – sie müssten das Licht anschalten, aber keiner tut es –, «das tut mir sehr leid für dich. Wirst du es deiner Mutter erzählen?»
    Danilo lacht. «Alle wussten es, die Verwandten wussten es, alle, außer dem kleinen Danilo. Ivana hätte sich gar nicht verheiraten können, wenn sie nicht längst geschieden worden wäre. Schönes Lügenarschloch von Mutter und schönes Arschlocharschloch von Vater. Schöne Arschlochfamilie.»
    «Wer hat es dir erzählt?», fragt Ava, sie ist die Stichwortgeberin, sie ist sonst gerade gar nichts. Die Stichwortgeberin für Danilo.
    «Branko. Der lässt sich nicht vorschreiben, was er wem erzählt. Wir waren zusammen unterwegs, als ich in Split war, und Branko hat mir alles erzählt. Er wusste gar nicht, dass ich es nicht wusste. Tja. Und wenn, hätte er es mir erst recht erzählt. Er ist in Ordnung.» Das Letzte schnoddert Danilo hervor, als wollte er weinen. Aber er weint noch nicht. Er schnaubt in ein Taschentuch. Die roten Flecken in seinem Gesicht haben sich verstärkt. Er lächelt vorsichtig.
    Merve schiebt sich ins Wohnzimmer. «Ist hier was los?», fragt sie.
    «Ja, Mervi, wir unterhalten uns, und es geht um Papas Vergangenheit mit seinem Vater. Aber es wäre uns lieb, wenn du verschwindest. Du wirst es alles schon noch erzählt kriegen. Aber gerade gehst du uns nur auf die Nerven, also verkrümel dich in dein Bett, Liebes.»
    Danilo, dessen Liebste Merve sonst ist,
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