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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition)
Autoren: Katrin Seddig
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zum Teil bekannt. Von ihren ehemaligen Schulkameraden ist außer Jörg mit seiner schwangeren Frau und seinen drei Jungen keiner zu sehen. Die Mummi steht in einen Mantel gehüllt, mit einem belegten Brötchen und einer Wurst in der Hand, neben ihrer Freundin, Frau Schrull. Frau Schrull und die Mummi kichern, weil sie ein Fläschchen Wein dabeihaben, aus dem sie abwechselnd nippen. Der Vater ist nicht mitgekommen. Der Vater kommt lange schon nicht mehr mit. Ava weiß nicht, warum sie selbst gekommen ist. Die Kinder wären auch mit der Mummi gegangen, ohne sie. Die Kinder sind alt genug. Merve ist zwölf und Martin neun.
    Das Feuer kommt ihr kleiner vor als in ihrer Kindheit. Vielleicht ist es tatsächlich kleiner, vielleicht ist der Ehrgeiz auf ein riesiges Feuer in diesem Dorf erloschen, vielleicht sind jetzt andere Feuer in der Nähe, wo sie alle hinfahren. Die Dinge ändern und verschieben sich mit den Jahren. Am Rande des Feuers hat jemand, ein rötlich blonder hagerer Junge, einen großen Schwenkgrill aufgebaut und schiebt mit seiner hölzernen Zange Würste hin und her. Daher auch die Wurst von der Mummi.
    Merve steht dicht am Feuer neben Petra und ihren Kindern und redet auf Petra ein. Merve ist im Vergleich zu Petras gelassenen und bescheidenen Kindern unruhig und unduldsam. Martin steht vor Merve und bewegt sich nicht und spricht nicht. Er steht da wie ein Stein und starrt, umfangen von dem Schein des nach oben knatternden, hoch in den lilaschwarzen Himmel ausschlagenden Feuers.
    Jörg kommt herangeschlendert und stellt sich breitbeinig vor Ava auf, ein Bier in der Hand und sagt: «Hallo, Ava, bist du auch mal wieder hier?»
    Ava zuckt mit den Schultern. «Willst du ein Bier?», fragt er sie, «wir haben drüben eine Kiste stehen.» Ava schüttelt den Kopf. Sie will nicht zu Jörgs Familie gehen und dankbar sein und mit seiner Frau reden müssen wegen eines Biers. So berechnend ist sie schon, fällt ihr selber auf.
    «Sieht so aus, als ob ihr ein Baby kriegt. Ihr könnt wohl nicht genug bekommen?», sagt sie.
    «Jackie wünscht sich ’ne Muschi», sagt Jörg und zuckt mit den Schultern.
    «Und?», fragt Ava, «wird es eine?»
    «Sieht gut aus», sagt Jörg, «bis jetzt, wenn es nicht noch ne Überraschung gibt.»
    «Na, schön für euch», sagt Ava. Es kommt ihr etwas boshaft vor. Deshalb fügt sie hinzu: «Und der Hof läuft gut?»
    «Der Hof? Der Hof ist ’n Dreckshof», sagt Jörg. Und zum ersten Mal hat sie ihn plötzlich gern. Ihn, mit seinem praller gewordenen Jungengesicht, wenn die Haut sich auch an den Augen stark fältelt, von der Arbeit im Sonnenlicht und in der Winterkälte, und von kleinen geplatzten Äderchen durchzogen ist.
    «Du bist geschieden von Danilo, nicht?», fragt Jörg. Er weiß es, alle im Dorf wissen es. Ava nickt.
    «Hast du schon was Neues?» Seine Augen blitzen fröhlich, er meint es nicht hinterhältig. Es scheint ehrliche Anteilnahme zu sein.
    Ava zuckt mit den Schultern. «Ich … ach, weißt du, nicht so richtig. Ich will vielleicht gar nicht unbedingt.»
    «Verstehe», sagt er. «Ich weiß, was du meinst. Aber eine Frau wie du, mit deinem Aussehen und allem, du hast es auch nicht schwer. Du wirst ja immer bei irgendwem landen. Du bist ja irgendwie ne Besondere.» Er lächelt sie an und sieht dann rüber zu Jackie, seiner Frau, und seinen drei Kindern, die alle zu Ava und ihm sehen. Ava hebt die Hand und winkt, obwohl sie Jörgs Frau nicht kennt. Sie will nett sein zu Jackie, die sich ein Mädchen wünscht, nach drei Jungen. Sie will es auch Jörg danken, dass er sie für gut aussehend hält und für besonders.
    Am Rande, hinter Jackie und dem Bürgermeister, der mit seiner dünnen, schwarzhaarigen Indianerfrau, so sagen alle im Dorf, aber sie ist keine Indianerfrau, sie sieht nur so aus, taucht Danilo mit seiner Freundin auf. Ava weiß, dass er im Dorf ist. Er wollte die Kinder für einen Tag zu seiner Mutter holen. Er kommt mit dem Holzmann relativ gut klar jetzt. Sie hätte sich auch denken können, dass er zum Osterfeuer kommt. Seine neue Freundin scheint nett zu sein. Ava hat sie ein paarmal gesehen und von den Kindern einiges erfahren. Sie ist groß und etwas jünger als Ava, aber immer noch älter als Danilo. Sie hat ein blasses, etwas langgezogenes Gesicht, mit einer kleinen, runden Stirn, von wo ihr das braune Haar glatt und mittig gescheitelt bis auf die Schultern fällt. Sie ist Lehrerin in einer Schule in St. Pauli und leistet viel soziale Arbeit, auch in
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