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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition)
Autoren: Katrin Seddig
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gelber Hund, sie sieht ihn von oben, durch den Basilikumtopf hindurch, bellt an der Straße in hohen, ängstlichen Tönen, als Danilo nach Hause kommt. Es war abgemacht gewesen, dass sie ihn nicht abholt, da seine Ankunft mit dem Feierabend von Ava, mit dem Abholen der Kinder und dem Einkaufen zusammenfiel, sodass es alles durcheinandergebracht und verspätet hätte. Dennoch, als sie die Lebensmittel in den Kühlschrank sortiert und dem Streit der Kinder lauscht, denkt sie für einen Moment, kurz bevor Danilo die Tür öffnet, dass es richtiger gewesen wäre, ihn abzuholen. Sie denkt daran, wie sie ihn mit den Kindern am Flughafen erwartet hätte, wie sich der Sog der eilenden Menschen im aufgeregten Geplapper der Kinder niedergeschlagen hätte, wie sie, angesteckt von der Vorfreude und berührt von der Einsamkeit fremder Reisender, in eine eigene Freude auf Danilo, ihren Ehemann, versetzt worden wäre. Sie sieht schon Danilo, wie er auf sie zueilt, sieht sich selbst in einer neuen, merkwürdig fremden Freude erzittern, und sie empfindet ihre Entscheidung, ihn nicht vom Flughafen abzuholen, die ihrer beider vernünftige Entscheidung gewesen war, als einen schweren, nicht wiedergutzumachenden Fehler.
    Nun steht Danilo in der Küche, braun im Gesicht, mit einer Röte auf der Stirn und einem Lächeln, das ihr vollkommen fremd ist. Durch die Tür im Flur sieht sie eine Ecke seines blauen Koffers, und stille Wut steigt wieder in ihr auf, unsinnige Wut, auf sein Wegfahren und sein Ankommen. Mit welchem Recht fährt er weg und kommt er an, wie es ihm gefällt? Aber die Unsinnigkeit und Ungerechtigkeit ihrer Wut wird ihr im selben Moment bewusst, und sie beherrscht sich. So vieles treibt still weg und unterläuft ihre Taten und unterläuft ihre Worte und bohrt sich dennoch seinen Weg an ganz andere Stellen und schafft scheinbare Ungerechtigkeiten.
    «Ava», sagt Danilo in seiner fremden Fröhlichkeit. Sie weiß gleich, dass er es jetzt ist, der etwas Schuldhaftes mit sich trägt. Sie denkt, wie dumm er ist, dass er nicht in der Lage ist, es zu verstecken. Sie lächelt fast darüber, und sie ist auch fast bereit, es ihm, wenn es eine wirkliche Ungerechtigkeit sein sollte, zu verzeihen, weil es ihre eigenen Ungerechtigkeiten ihm gegenüber, ihren eigenen Verrat, weniger schlimm machen würde.
    Sie sieht, etwas verzögert, vom Kühlschrank hoch. «Danilo, da bist du ja», sagt sie überflüssigerweise und freundlich, immer gleich um Herzlichkeit bemüht, und spürt, dass sie sich an einer sehr fernen Stelle tatsächlich freut, dass er nun wieder zu Hause ist. Sie wundert sich selbst über ihre Freude. Hatte sie sich doch mit der Woche Alleinsein angefreundet und sich befreit gefühlt.
    Zögernd steht sie auf und macht einen Schritt auf ihn zu, als würde sie erwarten, dass er sie wieder küsst, wie am Flughafen, als sie ihn verabschiedete. Danilo lächelt immer noch, umarmt sie dann vorsichtig und fast freundschaftlich, gibt ihr aber keinen Kuss, ignoriert ihr schüchtern vorgerecktes Gesicht. Sie weiß nicht genau, ob sie ihr Gesicht nur zur Probe vorgereckt hat. Sie glaubt es. Sie reckt ihr Gesicht nie vor. Sie küssen sich kaum jemals. Es ist vorbei mit der Küsserei. Aber diese offensichtliche Abwendung?
    «Kinder», ruft sie deshalb. Immer noch Gestreite im Kinderzimmer, ruhiger jetzt, nur noch nölend und eigentlich schon ausgestanden. Sie kann es alles deuten, ohne den Sinn der Worte zu verstehen, sie kennt die Muster in ihren Sätzen und Tonfällen. «Papa ist da», ruft sie.
    Und sie kommen herbeigerannt und umschlingen ihn, und er drückt sie an sich und presst ihnen je einen Kuss auf ihre schwitzigen Köpfe. Diese Zuwendung ist echt, und Danilo wirkt erleichtert.
    Dann essen sie zu Abend. Es gibt Nudeln, und Danilo redet mit den Kindern. Er redet schnell und in einem zu hohen Tonfall. Die Kinder gehen darauf ein und reden ebenfalls schnell und viel von ihren eigenen, ihnen wichtig erscheinenden Dingen aus der Schule und von ihren Freunden. Ava isst und lächelt über Sätze, die Martin sagt, er sagt in seiner Güte oft Dinge, die ein wenig schief klingen, die aber durchdacht und voller Schwere sind, auch wenn sie aus seinem Mund nur sehr krumm herausstolpern. Sprachlich ist er nicht besonders gewandt, aber die Aufrichtigkeit seiner Gedanken gleicht diesen Mangel wieder aus und machen ihn manchmal fast zu einem Weisen, was Merve wahnsinnig macht. Sie kann nicht aufhören, ihn dafür aufzuziehen. Sie leidet unter der
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