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Ehe auf krummen Beinen

Ehe auf krummen Beinen

Titel: Ehe auf krummen Beinen
Autoren: Hans Gruhl
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Dann erst zog er seinen Mantel an.
    Anschließend liefen wir in irgendeine Richtung. Nur fort von der Stätte unserer Demütigung. Dan hatte die Fäuste in den Taschen und den Kopf vorgeschoben, wie ein Stier in der Arena. Er sah nicht nach rechts und links. Einmal lief er gegen eine Gaslaterne und sagte: «Verzeihung» zu ihr.
    Als wir etwa fünf Kilometer marschiert waren, wurde es ihm langweilig. Er hob sein Haupt und spähte nach Wirtshausschildern. Ich atmete auf. Das war das erste Zeichen der Krampflösung.
    Ich wußte, daß unser Stammlokal sonntags geschlossen war. Wir entdeckten in einer Reihe von pompösen Wohnhäusern mit teuren Geschäften eine Kneipe mit dem schönen Namen «Ithaka».
    «Das ist die Zuflucht der Umherirrenden», sagte Dan. «Odysseus hat sie auch gesucht.»
    Wer war Odysseus? Sicher hatte sein Weib ihn ebenfalls geohrfeigt und rausgeschmissen. Wir traten ein. Es war die übliche, moderne Ausweichdiele für vergrämte Untermieter und Liebespaare ohne eigenes Auto. Zwei Spielautomaten, eine Musikbox, an der rechten Wand eine lange Theke, links einige Nischen mit traulichen Bänken und Nachttischlampen. Am Tresen lärmten drei junge Burschen mit Lederjacken und Niethosen über den unruhigen Gliedmaßen. Sie hatten schon allerhand zu sich genommen. In der hintersten Nische saß ein älterer, mildlächelnder Herr hinter einer Weinkaraffe und blätterte in der Sonntagsausgabe. Aber in der zweiten Nische, da war jemand, den wir kannten, und ich sauste auf ihn los und tapste auf seine Bügelfalten.
    Eugen, unser Wirt aus der Bierklause, die am Sonntag die Pforten verrammelt hatte.
    Er hatte das Haupt in die Hände gestützt. Mit tieftraurigen Augen starrte er auf die Schaumreste in seinem Glas. Er sah aus, als hätte er gerade den Offenbarungseid geleistet. Jetzt entdeckte ihn auch Dan und kam heran.
    «Ja, Eugen!» sagte er. «Alte Fischhaut! Was hat dich vom heimatlichen Herd vertrieben?»
    «Rosel», sagte Eugen mit Begräbnisstimme. Rosel war die zukünftige Wirtin. Die übten ihren Ehekrach schon vor der Hochzeit, damit es nachher besser ginge.
    «Grüß dich, Dan. Grüß dich, Blasi.»
    Dan zog sich aus und setzte sich.
    «Rosel? Sieh einer an! Dich auch!»
    «Wieso auch?»
    «Uns hat Eva rausgeworfen.»
    Eugens Interesse erwachte. Er war nicht allein auf der Welt mit seinem Schmerz.
    «Ja, gibt's das auch? Ist der Teufel in die Weiber gefahren? Was ist los?»
    Dan bestellte zwei große Biere und fing an, unsere Geschichte zu erzählen. Weil ich sie schon kannte, sah ich mich kurz im Lokal um. Dabei bemerkte ich, daß die Lederjünglinge am Tresen kühne Blicke auf unsere Nische warfen und dämlich feixten. Ich kümmerte mich nicht um sie, kehrte zur Nische zurück und hopste auf die Bank neben Dan. Er hatte gerade geendet und zeigte auf seine Backe, wo die Abdrücke von Evas zarter Hand noch immer sichtbar waren.
    «Kreuz Kapuziner», sagte Eugen. «Dasselbe wie bei mir! Haut mir doch eine hinein, wegen so einem Schmarren, so einem blöden! Die Erika, weißt, die blonde Langbeinige. Die kommt immer am Sonnabend. Macht mir die Rosel einen Krach, daß die Wände zittern! Ich schaute immer so auf die Erika! Ich schau immer auf alle Gäste! Hast du je gesehen, daß ich auf Erika geschaut hab?»
    «Ach», sagte Dan, «du hast schon immer mal auf sie geschaut. Aber du hast nur an den Umsatz gedacht dabei.»
    «Natürlich. Die Rosel denkt, ich mach mir was aus der.»
    «Die Blonden sind unser Unglück.»
    «Na, ich hab die Tür zugeschmissen und bin fort. Das kannst du dir vorstellen.»
    Dan nickte. «Kann ich. Trifft sich ausgezeichnet. Warum sollen andere Wirte nichts verdienen. Wie geht's Geschäft sonst?»
    «Wie immer. Vormittags kommt keiner, und am Nachmittag läßt es dann wieder nach.»
    Dafür kam der Ober mit dem Bier. Ich sah mit Erstaunen, daß er Dan nur ein halbvolles Glas brachte. Der Nachwuchs am Tresen war verstummt und fixierte uns scharf.
    «So ein feiner Witz», sagte Dan. «Hahaha.»
    «Verzeihung, der Herr.» Der Ober sah etwas furchtsam aus. Er war schmächtig und schien keine Tapferkeitsmedaillen zu besitzen. «Der eine von den dreien da vorn hat daraus getrunken. Der große in der Mitte. Er hat gesagt, ich soll ausrichten, er trinkt immer vom ersten Bier, wenn ein Gast fremd ist.»
    Dan schleifte sein Auge über den Kellner und hinüber zu den Jünglingen und heftete es auf den in der Mitte. Der grinste frech und hob sein Glas gegen uns. Er hatte schiefe Augen und
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