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Ehe auf krummen Beinen

Ehe auf krummen Beinen

Titel: Ehe auf krummen Beinen
Autoren: Hans Gruhl
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und warf flehende Blicke in die Gegend. Ich beschloß, ihn zu retten.
    Ich nahm einen kurzen Anlauf und sprang auf seinen Schoß. Leider hatte ich mich mit dem Schwung etwas verkalkuliert. Mit der Schnauze stieß ich sein Sektglas um, das dicht neben ihm auf dem niedrigen Tisch stand. Die Tante wurde nicht getroffen, aber der Sekt lief über die Decke, und das Glas zerfiel in zwei Teile, Stiel und Kelch. Die Hausfrau kam, und nun besprachen sie ausführlich das
    Unglück und kamen dann auf die Ungezogenheiten von Dackeln. Währenddessen konnte Doktor Becker sich unauffällig verdrücken und mit Evas Cousine tanzen, zu der er während der Krankengeschichte ständig hinübergeblickt hatte. Auch ich empfahl mich lautlos, zufrieden mit der Aktion.
    Später bildeten sich kleinere Gruppen und Interessengemeinschaften. Ich schlich überall herum und hörte manches Interessante.
    In einer Ecke, hinter irgendeinem ausländischen Gewächs mit riesigen Blättern, saßen Dans Mutter und Eva und berieten die Gebrauchsanweisung des Sohnes und Ehemannes.
    «Er ist ein guter Junge», sagte Mutti, «echt und gerade heraus. Du merkst sofort, wenn er schwindelt. Außerdem schwindelt er nie. Leider ist er mein Einziger geblieben. Hat immer alles für sich gehabt, nie teilen müssen, nie abgeben. Er kann furchtbar dickschädelig sein und eigensinnig. Wie sein Vater. Nur richtig behandeln, das ist alles. Laß ihn glauben, seine Ansichten wären die einzig brauchbaren. So hab ich es mit seinem Vater gemacht. Dann kannst du ihn um den Finger wickeln. Und wenn es mal nicht anders geht, machst du ihm einen richtigen Krach, dann ist alles in Ordnung. Gibst du mir noch ein Glas Sekt, Kleines?» Dann tranken die Damen. Ich schlenderte hinüber ins Herrenzimmer, wo Dan mit Evas Vater hinter einer Whiskyflasche versammelt war.
    «Sie ist ein Prachtmädchen», sagte unser Schwiegervater, «echt und gerade heraus. Schwindeln tut sie natürlich, wie alle Weiber, aber du merkst es sofort. Leider ist sie meine Einzige geblieben. Hat immer alles für sich gehabt, nie teilen müssen, nie abgegeben. Sie kann furchtbar dickschädelig sein und eigensinnig. Wie ihre Mutter. Richtig behandeln ist alles. Laß sie reden und tu, was du für richtig hältst. So hab ich es mit ihrer Mutter gemacht. Und wenn es mal nicht geht, legst du sie übers Knie und haust ihr den Hintern voll. Wirkt Wunder. Prost!»
    «Prost, Vater», sagte Dan. Ich ging hinaus und freute mich auf den Augenblick, in dem Eva und er zu gleicher Zeit nach den Ratschlägen handeln würden.
    Die Balkontür war einen Spalt breit offen. Durch Säulen und stille Blätter fiel das Mondlicht gegen das Haus. Ich roch einen Hauch von Parfüm und schlich an der Wand entlang. Der junge Doktor Becker war mit Evas Cousine ins Freie entwichen. In einer entfernten Ecke standen sie in Deckung des Schattens nebeneinander. Zwischenraum war keiner.
    «Wie ist es am nächsten Sonnabend?» fragte Doktor Becker.
    «Ich — ich weiß nicht», sagte sie und zerrupfte ein Efeublatt.
    «Gleich weißt du es», sagte er. Er drehte sich halb um, faßte sie am Kopf und küßte sie. Zuerst zappelte sie ein bißchen, dann hielt sie still und stiller und preßte sich fest an ihn, obwohl es gar nicht kalt war. Der Kuß dauerte lausig lange. Ich wurde ungeduldig und raschelte mit dem Efeu. Gisela fuhr zusammen.
    «Was war das?»
    Beckers Augen bohrten sich zu mir hinunter. Ich kam näher und grinste freundlich.
    «Eine Ratte», sagte er. «Eine Ratte mit langen Ohren.» Er bückte sich, griff mich am Fell und zog mich hoch. «Hier ist sie.»
    «Der Blasi? Gott, bin ich erschrocken.»
    «Der gute Blasi. Hat mich vorhin von der Tante befreit. Da war ich frei für dich.»
    Sie lachte und streichelte mich.
    «Ob er noch Hunger hat?»
    «Diese Tiere haben nur einmal Hunger. Immer.»
    «Ich hole ihm noch was.»
    Sie lief davon. Becker ging mit mir zur Bank an der Hauswand. Während er mich streichelte, murmelte er: «Kein schlechtes Mädchen. Hätte gute Lust, es genauso zu machen wie dein Herr Besitzer. Na, wir werden sehen.»
    Gisela kam zurück. Sie trug einen Teller mit einem Berg wie ein Maulwurfshaufen. Es waren alles gute Sachen vom kalten Büfett. Obwohl ich mein Soll längst erfüllt hatte, fraß ich mich bis zum Porzellanboden durch. Wer konnte wissen, wie lange es dauerte, bis Becker sich entschloß und die nächste Hochzeit fällig war.
    Am Fuße des Berges bekam ich aber doch Beklemmungserscheinungen. Ich verabschiedete
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