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Ehe auf krummen Beinen

Ehe auf krummen Beinen

Titel: Ehe auf krummen Beinen
Autoren: Hans Gruhl
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mich, schlich davon und suchte das Eisbärfell im Salon auf. Ralf lag schon dort. Es schien ihm ähnlich zu gehen wie mir. An seinen Ohren war Mayonnaise. Sein Bauch war prall, und er stöhnte im Schlaf. Ich ließ mich neben ihm nieder und hoffte auf gute Verdauung.
    Es weckte uns der Lärm der scheidenden Gäste. Noch einmal hielt das Hochzeitspaar allen Segenswünschen stand. Dan und Eva blieben für diese Nacht im Haus der Eltern. Als sie die Treppe zu ihrem Zimmer emporstiegen, hoppelte ich mit meinem vollen Wanst mühsam hinterher. Dan öffnete die Tür. Dann drehte er sich um. Ich setzte mich auf die oberste Stufe und sah ihm stumm ins Gesicht.
    Er faßte Eva am Arm und deutete auf mich. Sie sah mich an, dann ihn. Sie lächelten sich zu.
    «Nein, Blasi», sagte Dan. «Heute nicht. Heute bleiben Frauchen und ich allein. Geh zurück auf dein Fell. Gute Nacht.»
    «Nacht, Blasi», rief Eva.
    Die Tür schloß sich hinter ihnen. Ich wartete noch eine Minute. Dann machte ich entschlossen kehrt und stieg die Treppe hinab, aufrecht und mit Würde. Betteln kam nicht in Frage. Ein Mann muß allein sein können.
    Das Fell war noch warm. Ich hatte es für mich allein. Ralf war mit Paul und Gerda fortgegangen. Ich blieb noch eine Weile wach und wartete auf Einbrecher. Keiner kam. Wahrscheinlich hatten sie Betriebsferien.
     
     
     
    Am nächsten Tag schleppten wir die Geschenke und Ersatzteile nach Hause und verteilten sie in die verschiedenen Schränke und Behälter. Dan hatte noch eine Woche Urlaub, um sich von den Strapazen erholen zu können. Sein Chef war verheiratet und konnte es ihm nachfühlen.
    Eva gab der Wohnung den letzten Schliff, um allen längergedienten Ehefrauen standhalten zu können. Ich machte mich nützlich, wo ich konnte, half ihr beim Einkäufen, vertilgte in der Küche überflüssige Reste und trug den Staublappen hinter ihr her. Die meiste Zeit aber saß ich auf meinem Lieblingsplatz in der Sonne des Wohnzimmers, sah auf die Straße hinunter und fing Fliegen. Mit Fliegen ist es einfach. Sie sind dumm und passen nicht auf und können obendrein nicht stechen. Anders bei den Wespen. Man muß blitzschnell zubeißen und wieder loslassen. Zuerst hatte ich es nicht so raus. Eine verpaßte mir einen Stich auf die Unterlippe, so daß ich aussah, als wäre ich an einen Omnibus gelaufen. Es schwoll erst nach drei Tagen ab und schmeckte wie kalter Gummi. Eva kühlte mir die Schnauze mit feuchten Läppchen. Seitdem war ich vorsichtiger und spuckte die Wespen mit Höllengeschwindigkeit aus, wenn ich sie erlegt hatte.
    Dan saß in seinem Arbeitszimmer wie ein Konzernchef. Er mußte die Familienpost erledigen und sich für alles bedanken. Er verwendete einen Einheitstext mit geringen Abweichungen. Ab und zu besuchte ich ihn und hielt ihm die Zunge hin, damit er die Briefmarken anfeuchten und seine eigene ausruhen lassen konnte. Später klebte er die Hochzeitsbilder ins Album und versah sie mit Unterschriften, die ihm ein Jahr später vollendet blödsinnig vorkamen.
    An den Abenden besuchten wir unsere Bekannten, einen nach dem anderen, und holten uns gute Ratschläge. Bei Otmar schnorrten wir einige Bilder, die ihm sowieso niemand abgekauft hätte. Für ein trautes Bürgerheim waren sie zu wenig traut, aber für uns waren sie richtig, unsere Blößen an den Wänden zu bedecken. Nach Abschluß des Handels kamen die Herrschaften auf die Idee, mich porträtieren zu lassen. Ich mußte mich auf einen farbenbeklecksten Tisch setzen, wurde schräg von hinten beleuchtet, und Otmar malte mich in Öl. Sein Künstlerauge durchbohrte mich von allen Seiten und sein Bart schimmerte wie ungewaschener Stacheldraht.
    Dan und Eva betrachteten das fertige Bild mit Ergriffenheit. «Sehr ähnlich ist es nicht, oder?» fragte Eva.
    «Es ist das Wesen des Dackels», sagte Otmar. «Die Urform. Der Dackel an sich. Die Dackelhaftigkeit.»
    «Ohne Zweifel, sehr dackelhaftig», sagte Dan. «Aber sind das seine Ohren? Oder ist es das Wesen der Ohren?»
    «Dir fehlt der künstlerische Blick. Die Sicht. Tritt etwas zurück, krümme den Zeigefinger zu einem Loch und sieh hindurch. Dann wirst du sehen.»
    Dan tat, wie ihm geheißen. Sie starrten das Bild durch ihre Finger an, wie Gouvernanten durch die Stielbrille.
    «Nun?» fragte Otmar.
    «Hm», machte Dan. «Von hier sieht es aus wie die Grundsteinlegung zum Hauptbahnhof. Was meinst du?»
    «Ich würde eher sagen, es ist ein angebranntes Omelett», antwortete Eva. «Man riecht es förmlich. Es
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