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Ehe auf krummen Beinen

Ehe auf krummen Beinen

Titel: Ehe auf krummen Beinen
Autoren: Hans Gruhl
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Branchen tätig waren. Die Damen taxierten sich mit blitzschnellen Blicken und registrierten, wer wem gefährlich werden könnte und wer nicht. Ralf und ich krochen zwischen den vielen Beinen herum, wurden bestaunt und « Waldi» genannt und an den Ohren gezogen. Ich war froh, als zur Tafel gebeten wurde.
    Der ganze Haufen ließ sich an dem weißen, glitzernden Hufeisen von Tisch nieder. Dan und Eva saßen in der Mitte, und Stolz erfüllte mein Herz, als ich sie sah. Unsere alte Garde aus der Bierklause war vollzählig vorhanden. Eugen hatte seine Rosel mit, die zukünftige Wirtin. Er sah aus, als rechne er dauernd nach, was ihn die eigene Hochzeit kosten würde.
    Otmar, unser Malgenie, in dessen Atelier die Skatabende stattfanden, war mit seiner Braut Putzi da. Auch ihm stand bevor, was Dan jetzt durchmachte. Sein Künstlerbart hinderte ihn nicht, unglaubliche Mengen mit größter Geschwindigkeit zu essen. Dafür ließ er sehr viel für uns unter den Tisch fallen. Putzi genierte sich und stieß ihn laufend in die Seite.
    Und schließlich saßen Paul und Gerda da, die Besitzer meines Herrn Bruders. Sie hatten ihre Hochzeit lange hinter sich. Eva und Dan hatten sich viele Ratschläge von ihnen geholt. Sie wollten nicht alle Fehler noch einmal machen. Nur die schönsten.
    Das Menü entsprach meinen Erwartungen. Obwohl wir in der Küche bereits ausgiebig verpflegt worden waren, schlichen wir unter dem Tisch herum und klopften den Gästen dezent mit den Pfoten an die Schienbeine. Die meisten waren so intelligent und taktvoll, unauffällig einiges von dem gerade laufenden Gang herunterzureichen. Nur ein paar erwiesen sich als völlig unbegabt und riefen mit schallender Stimme:
    «Ja, was willst du denn, Hunderl?»
    Mancher lernt es eben nie.
    Unter dem Tisch war es ganz interessant. Wir sahen die untere Hälfte der Gesellschaft. Smokinghosen und Lackleder, seidene Röcke über schönen Beinen und weniger schönen. Mit denen von Eva konnte keine andere mit. Ich marschierte zweimal herum, aber es blieb dabei. War ja auch meine Entdeckung, das Mädchen.
    Oben war die Gesellschaft beim geeisten Fruchtsalat mit Maraschino angelangt. Bei den Getränken war der Fortschritt entsprechend. Die Gespräche wurden allgemein verständlich. Einige der Damen waren unbemerkt aus den Schuhen gekrochen und rieben die niedlichen Füßchen aneinander. Ich zwinkerte Ralf zu, und wir verschleppten lautlos etliche Pumps und Goldbrokatlatschen und sammelten sie dort, wo Evas späte Tante Magdalene saß. Es sah aus wie eine Kollektion von Salamander. Dann setzten wir uns in die Nähe der Tür, von wo aus man den Tisch gut übersehen konnte. Kurz darauf wurde die Tafel aufgehoben. Etliche der holden Teilnehmerinnen blieben verlegen sitzen, fummelten mit den Füßen unter dem Tisch herum und bekamen rote Köpfe. Ihre Begleiter sahen nach unten und entdeckten Tante Magdalenes Schuhsalon. Es dauerte eine Weile, bis sie ihn als unser Werk erkannten.
    «Ach, die lieben Tierchen», sagte Tante Magdalenes Mann und knirschte mit den Zähnen, und Evas Vater rief mit dröhnender Stimme, es sei komisch, daß die Damen ihre Schuhe alle eine Nummer zu klein kauften.
    Anschließend wurde getanzt und getrunken. Eva war ununterbrochen beschäftigt. Die Gäste zirkulierten durch die Räume, und wir zirkulierten mit. Unter anderem besichtigten wir den Tisch mit den Geschenken.
    Für manches Verbrauchsmaterial war der Ersatz gleich mitgeschenkt worden. Ich sah vier Teesiebe, drei Bügeleisen, acht Blumenvasen und zwei Kaffeemühlen. Geschirr und Tischdecken würden für die Enkelkinder noch ausreichen, soweit ich sehen konnte. Auf Babywäsche war taktvoll verzichtet worden, nur ein Spaßvogel hatte den Katalog eines Hauses für Säuglingsausstattung hingelegt.
    Auf meinem Weg stieß ich auf Tante Wilhelmine. Ihre zwei Zentner waren ihr beim Tanzen hinderlich. Deswegen saß sie lieber und redete. Als Zuhörer hatte sie sich den jungen Doktor Becker gegriffen, der aus Anstand mit ihr eine Runde hatte drehen wollen. Jetzt war er festgenagelt, denn die Tante tat nichts lieber, als einem Arzt ihre Beschwerden zu schildern. Und das waren Beschwerden! Sie gehörte zu den Frauen, die seit ihrer Geburt keinen Bissen gegessen und keine Nacht ein Auge zugetan haben, aber dennoch kaum durch die Türen passen und nachts schnarchen, daß die Gardinen wedeln. Doktor Becker mußte sich das anhören, ohne Aussicht auf Bezahlung oder Krankenschein. Er rutschte auf seinem Stuhl herum
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