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Eden

Eden

Titel: Eden
Autoren: Stanislaw Lem
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Hoffnung. »Du hast es ja selbst gesehen.« »Ja, aber in die Notluke haben wir nicht geschaut.« Der Kybernetiker beugte sich in das Dunkel des Ganges und rief vom Rand der Klappe: »Reserveautomaten, herhören!« Die Stimme hallte im Raum. Stille war die Antwort. »Komm her, wir untersuchen den Eingang.« Der Ingenieur kniete sich vor die eingewölbte Platte, hielt die Augen dicht an den Rand und leuchtete Zentimeter um Zentimeter die Fugen ab. Der Lichtfleck glitt über die Abdichtungen, die mit einem feinen Netz von Sprüngen gezeichnet waren.
    »Von innen ist nichts geschmolzen. Übrigens kein Wunder, denn Keramit ist ein schlechter Wärmeleiter.« »Vielleicht versuchen wir es noch einmal?« schlug der Doktor vor und packte die Kurbel.
    »Das hat keinen Sinn«, protestierte der Chemiker. Der Ingenieur hielt die Hand an die Klappe und sprang auf. »Jungs, wir brauchen Wasser! Viel kaltes Wasser!« »Wofür?«
    »Fasst die Klappe an. Sie ist heiß, nicht wahr?« Mehrere Hände berührten sie gleichzeitig.
    »Sie ist so heiß, dass man sich die Finger verbrennen kann«, stellte jemand fest. »Das ist unser Glück!« »Wieso?«
    »Der Rumpf ist erhitzt, er hat sich geweitet, die Klappe auch. Wenn wir die Klappe abkühlen, schrumpft sie und wird sich vielleicht öffnen lassen.« »Wasser - das genügt nicht. Vielleicht ist noch Eis da. In der Gefrieranlage müsste welches sein«, sagte der Koordinator. Einer nach dem anderen sprangen sie in den Gang, der von ihren Schritten widerhallte. Der Koordinator blieb mit dem Ingenieur am Eingang zurück. »Sie wird nachgeben«, sagte er leise, wie zu sich selbst. »Wenn sie nicht zugeschmolzen ist.« Der Ingenieur tastete den Rand mit den Händen ab, um den Grad der Erhitzung festzustellen. »Keramit wird erst bei über dreitausendsiebenhundert Grad flüssig. Hast du nicht bemerkt, wie heiß die Hülle zuletzt war?« »Zuletzt zeigten alle Uhren die Daten vom vergangenen Jahr an. Wenn ich mich nicht irre, hatten wir über zweieinhalb, als gebremst wurde.«
    »Zweieinhalbtausend Grad ist nicht viel!« »Ja, aber dann!«
    Das erhitzte Gesicht des Chemikers erschien dicht über der aufgeklappten Luke. Die Taschenlampe baumelte an seinem Hals. Ihr Schein hüpfte über die Eisstückchen, die aus dem Eimer ragten. Er reichte ihn dem Koordinator.
    »Warte, wie wollen wir das eigentlich machen mit dem Kühlen …« Der Ingenieur verzog das Gesicht. »Moment.« Er verschwand in der Dunkelheit. Wieder hallten Schritte. Der Doktor schleppte zwei Eimer herbei, in denen Eis schwamm. Der Chemiker leuchtete. Der Doktor und der Physiker begossen die Klappe mit dem Wasser. Es lief über den Fußboden in den Gang. Der Kybernetiker brachte einen Kübel mit kleingehacktem Eis und ging noch mehr holen. Als sie die Klappe zum zehntenmal bespülten, glaubten sie etwas zu hören - ein schwaches Quietschen. Sie stießen einen Freudenschrei aus. Der Ingenieur erschien. Vor die Brust hatte er sich einen ziemlich starken Raumanzugscheinwerfer gebunden. Gleich wurde es heller. Der Ingenieur warf einen Armvoll Plastikplatten aus dem Steuerraum auf den Fußboden. Sie packten Eisstücke auf die Lukentür und drückten sie mit den Plastikplatten und mit Luftkissen fest sowie mit den Büchern, die der Physiker unterdessen zusammentrug. Schließlich, als sie schon ihre Rücken kaum mehr geradebiegen konnten und von der kleinen Eismauer kaum etwas übriggeblieben war, so rasch schmolz sie bei der Berührung mit der erhitzten Lukentür, packte der Kybernetiker die Kurbel mit beiden Händen und versuchte sie zu drehen. »Warte, noch nicht!« rief der Ingenieur ärgerlich. Aber die Kurbel gab ziemlich leicht nach. Alle sprangen auf. Die Kurbel drehte sich immer schneller. Der Ingenieur packte in der Mitte den Griff des dreifachen Riegels, der die Klappe absicherte, und zerrte daran. Ein Klirren war zu hören, als ob eine Scheibe zersprang, und die Lukentür presste sich gegen sie, zunächst leicht. Auf einmal riss sie die Nächststehenden fast um, eine schwarze Lawine quoll polternd aus dem dunklen Rachen und schüttete die Männer, die sich ihr entgegenstellten, bis an die Knie zu. Der Chemiker und der Koordinator wurden beiseite geschleudert. Den Chemiker drückte die Klappe an die Seitenwand, so dass er sich nicht bewegen konnte; er kam aber unverletzt davon. Der Koordinator konnte noch im letzten Augenblick zurückspringen. Beinahe hätte er dabei den Doktor umgestoßen. Sie rührten sich nicht. Die
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