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Eden

Titel: Eden
Autoren: Tony Mochinski
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abgefunden war unfair. Es war zu hart. Ed war ein guter Mann, wenn auch ein bisschen langweilig.
    Nach drei Monaten fügte Joy sich perfekt in den Lehrkörper der Schule ein, dessen andere Mitglieder zum Teil schon seit Jahren in Hillcrest unterrichteten. Es waren Schüler wie Joey, die die Arbeit zu einer Herausforderung machten, schwierig, aber auf eine ganz eigene Art auch befriedigend. Kinder wie Joey hatten so viel zu bieten. Sie saßen aufmerksam in der Klasse und sogen den Stoff regelrecht in sich auf, um damit die Prüfungen zu bestehen, sogar die entscheidenden Abschlussprüfungen am Jahresende. Aber gleichzeitig fehlte genau diesen Schülern jegliche Motivation. Sie machten nie Hausaufgaben, schlugen daheim kein einziges Schulbuch auf, rührten keinen Finger, um etwas aus ihren Talenten zu machen.
    Aber Joy wusste, dass viele von ihnen ohne Hillcrest keine Chance auf einen Abschluss hatten. Sie wären vergessen worden. Jedes Kind hat die gleiche Chance – von wegen.
    In der vierten Stunde hatte sie frei. Joy überlegte, ob sie nach oben ins Lehrerzimmer gehen sollte. Sie musste ein paar Eltern anrufen. Alex nahm seine Medikamente immer noch morgens nach dem Aufstehen und war die ersten drei Schulstunden nicht ansprechbar. Für seine Lehrer war das eine Katastrophe. Der Junge musste die Medikamente abends nehmen, bevor er zu Bett ging. Aber dieses Thema hatte sie schon mehr als einmal mit Alex’ Mutter durchgekaut.
    Shanice andererseits trug immer noch viel zu freizügige Kleidung – bauchfreie Hemdchen mit Spaghettiträgern – und sorgte in Joys Matheunterricht in der siebten Stunde damit regelmäßig für Unruhe. Joy erinnerte sich an ihre Zeit auf der Highschool, die so lange noch gar nicht zurücklag. Damals hatte nur bauchfrei getragen, wer keinen Bauch hatte. Heutzutage trugen die Mädchen, was sie wollten, ganz egal, wie sie aussahen.
    Das kann ich immer noch erledigen. Joy beschloss, auf die andere Straßenseite zu gehen und sich im Deli etwas zu essen zu kaufen. Außer einem Proteinshake zum Frühstück hatte sie heute noch nichts zu sich genommen. Sie war schlank und fit und gab sich täglich Mühe, es auch zu bleiben, damit sie bauchfrei tragen konnte, wenn sie mit Ed ausging. Ein Sandwich mit Truthahnbrust konnte sie sich erlauben.
    Von Boar’s Head – natriumarm. Und amerikanischer Käse. Gelb.
    Joy schloss das Klassenzimmer ab und schlenderte den Flur entlang. Unterwegs ermahnte sie ein paar Nachzügler, sich zu beeilen, damit sie keine Tadel für verspätetes Erscheinen kassierten.
    Es war ein herrlicher Frühnovembertag. Ende Oktober hatte es einen kurzen Kälteeinbruch gegeben, danach war es wieder wärmer geworden. Ed bestand immer darauf, bei offenem Fenster zu schlafen, wenn er über Nacht blieb. Angeblich konnte er so »besser atmen«. Aber Joy setzte sich immer durch, und früher oder später wurde das Fenster wieder geschlossen. Heute war es um die fünfzehn Grad, eigentlich viel zu warm für die Jahreszeit. Ein letztes Aufbäumen des Sommers. Ein glorreicher Spätherbst.
    Der Himmel war wunderschön, blau, leicht verwaschen größtenteils. In der Ferne einzelne Schäfchenwolken.
    Joy ging die Straße hinunter zu Gary’s Deli. Hillcrest lag mitten im Einkaufsviertel von Bedford Hills, zwischen Dutzenden kleiner Geschäfte. Hundesalons, jüdische Buchläden, ein Secondhandladen, ein Eiscafé der Kette Cold Stone. Gute Schüler, das war einer der attraktivsten Aspekte für Interessenten, durften mittags das Schulgelände verlassen, um in einer der vielen Pizzerien oder Delis essen zu gehen oder sich in den Läden die neuesten Videospiele oder CDs anzuschauen. Solange sie sich nur nicht irgendwo herumdrückten und Gras rauchten.
    Gras. Joy schüttelte den Kopf. Pot, Ganja, Shit, Dope, Kif, Heu. Jeden Tag lernte sie aus den Gesprächen der Schüler oder in der Rapmusik, die sich Ed anhörte, neue Namen dafür. Der kleine Dealer, mit dem sie in ihrem ersten Uni-Jahr ausgegangen war, hatte es Tante Mary oder Baby Bhang genannt. Niemand sagte heute noch Gras dazu.
    Gary’s Deli war ganz okay, aber Walter’s zwei Querstraßen weiter war besser. Zumindest heute war Joy der Weg dorthin aber zu weit. Bei Gary’s bekam man auch ein annehmbares Truthahn-Käse-Sandwich. Auf Weizenvollkornbrot. Mit Salat, Tomate und vielleicht ein wenig Mayonnaise. Aber nicht zu viel. Besser fettreduzierte. Sie hatte heute Abend im Fitnessstudio noch einen Spin-Kurs.
    »Joy!«
    Susan McGreevy arbeitete seit
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