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Eden

Titel: Eden
Autoren: Tony Mochinski
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hätte Buddy reagiert, wenn er jetzt hier gewesen wäre? Was hätte der Große in einer solchen Situation gesagt? Was hätte Buddy gesagt?
    Harris hatte keinen Zweifel daran, dass sich Buddy irgendwohin zurückgezogen und eine Kugel gefrühstückt hätte.
    Die Haut um den Biss hatte sich bläulich verfärbt.
    Klasse Mann , hätte Buddy gesagt und ihm auf die Schulter geklopft. Auf die andere Schulter. Sie wären auf Buddys Vorschlag hin spazieren gegangen, und sosehr es ihn auch geschmerzt hätte, irgendwann, wenn er der Meinung war, Harris würde es nicht bemerken, hätte Buddy die schallgedämpfte 9mm gehoben und ihn ins Jenseits befördert – ins Leben nach dem Tod oder ins Nichts.
    Und Harris hätte es ihm nicht übelgenommen.
    Zum ersten und einzigen Mal war Harris in diesem Augenblick froh, dass Buddy nicht da war. Da gab es etwas, das er tun musste.
    Er streckte die Hand aus und hob auf, was er draußen gefunden hatte, neben dem Tor. Er hatte gewusst, was es war, als er es gesehen hatte. Gewusst, wem es gehörte .
    Jemand hatte das Tor absichtlich geöffnet. Jemand hatte die Zombies nach Eden hereingelassen. Bewusst. Böswillig. Hatte das Schloss an seiner und Julies Haustür aufgebrochen. Jemand, der gewollt hatte, dass sie beide das nächste Frühstück der Untotenparade wurden.
    Warum? Harris hatte nur eine Ahnung. Wer? Da hegte er keinen Zweifel.
    Harris drehte das Rädchen des Zippo-Feuerzeugs, beobachtete, wie die bläulich gelbe Flamme aufflackerte und dann stetig brannte. Es war Thompsons Feuerzeug. Der Neunzehnjährige war mächtig stolz darauf.
    Das wusste Harris.

2
     
    »Nicht vergessen, Joey«, erinnerte Joy Noddings den Zehntklässler, als er ihre Mathestunde verließ.
    »Was soll ich nicht vergessen, Ms. Noddings?« Joey war ein gut aussehender Junge und beliebt bei den Mädels.
    »Mach deine Hausaufgaben.«
    Joy wusste, dass Joey sie nicht machen würde. Ein Joey machte keine Hausaufgaben.
    »Klar doch.« Immerhin respektierte er sie noch genug, um den Schein zu wahren, so zu tun als ob. Als hätte er Interesse. Vielleicht war es ja nicht einmal völlig gelogen.
    Es war Joy Noddings’ erstes Berufsjahr als Lehrerin. Sie kam frisch von der Uni. Die Hillcrest Alternative School war das Risiko eingegangen und hatte sie für den Mathematikunterricht verpflichtet.
    Es war eine kleine Schule. Ein Dutzend Lehrer unterrichtete dreißig als ›emotional gestört‹ und ›lernbehindert‹ eingestufte Kinder. Obwohl die Schule im gutbürgerlichen New Yorker Vorort Bedford Hills lag, besuchten sie die unterschiedlichsten Schüler. Hillcrest hatte sich einen Ruf als Notaufnahme für diejenigen erarbeitet, die es auf der normalen Highschool nicht schafften.
    Joy staunte noch immer, dass man sie hier angenommen hatte.
    Beim Vorstellungsgespräch war sie sehr nervös gewesen und anschließend voller Selbstzweifel nach Hause gegangen. Hatte sich die ganze Zeit gefragt, ob sie es wohl vergeigt hatte. Bis zum heutigen Tag war sie davon überzeugt, dass sie die Anstellung allein Hillcrests Direktor verdankte. Sie schätzte ihn zwanzig Jahre älter als sie selbst, aber durchaus attraktiv. Er war ein Mann, den nicht nur Frauen in wenigen Jahren sicher als distinguiert beschreiben würden. Neben seinem guten Aussehen und seiner strengen, aber fairen Art, mit den oft anstrengenden Schülern in Hillcrest umzugehen, bewunderte Joy an ihm vor allem seine professionelle Haltung.
    Sie selbst war es gewohnt, dass man ihr nachschaute, und auf dem Weg zur Schule pfiff ihr auch schon mal einer der Männer hinterher, die an der Ecke auf Arbeit warteten. Sie war froh, dass der Direktor ihr gegenüber immer korrekt blieb. Das unterschied ihn wohltuend vom dienstälteren Mathematiklehrer der Schule, der bei Gesprächen seinen Blick kaum von ihrer Brust wenden konnte. Eine Tatsache, die Joy überaus bewusst war. Sie war froh, dass der Direktor nicht so war. Allerdings irgendwie auch enttäuscht.
    Seit fast drei Jahren ging sie jetzt schon mit Ed aus. Er war ein ganz netter Bursche, und vermutlich würden sie wohl heiraten, wenn Ed sie irgendwann fragte. Sie glaubte ehrlich, dass dort draußen kein Besserer auf sie wartete. Außerdem war der Direktor ohnehin verheiratet.
    Drei Jahre schon. Wann würde er endlich fragen? Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Jetzt, da sie sich mit ihm ›abgefunden‹ hatte, musste sie darauf warten, dass der Mann endlich den Mumm aufbrachte, ihr einen Antrag zu machen. Nein,
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