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Eden

Titel: Eden
Autoren: Tony Mochinski
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parkenden Wagens zertrümmert.
    Harris hatte der Anblick des offenen Kanalschachts gar nicht behagt. Dieser künstliche weit aufklaffende Schlund im Boden war ihm erschienen wie etwas, das in einen Horrorfilm gehörte. Hinunter in die Kanalisation zu steigen, gefiel ihm dementsprechend auch nicht, aber aus irgendeinem Grund gab es bisher nicht einen Untoten in den kilometerlangen Tunneln.
    Ein gewundenes Heulen stieg über die Mauer. Sie gaben nie Ruhe, nicht einmal beim Fressen.
    »In Ordnung, gehen wir.« Buddy stieg als Erster die Sprossen hinunter in den Schacht. Harris beugte sich hinab und reichte ihm die Taschenlampe.
    Als er zur Hälfte im Schacht verschwunden war, stellte Buddy die Lampe auf dem Pflaster ab und zog die Pistole aus dem Holster. Der Schalldämpfer war nicht aufgeschraubt. Er vergewisserte sich, dass sie geladen und schussbereit war, dann steckte er sie zurück ins Holster und hob die Taschenlampe wieder auf.
    »He«, sagte Harris. Buddy schaute hoch.
    »Du hast’s drauf.« Er streckte den Daumen in die Höhe.
    »Nee«, antwortete Buddy grinsend, wie es zwischen ihnen üblich war. » Du hast’s drauf.«
    Es erstaunte Harris immer noch wie am ersten Tag. Nach all dem Blutvergießen, all dem Gemetzel, nach dem ganzen Drama mit Graham, mit dem Polen und seiner Frau, den Nächten auf der Flucht, den unzähligen Gelegenheiten, bei denen sie mit dem Rücken an der Wand gestanden und schon mit dem Leben abgeschlossen hatten, nach all dem hatte Buddy immer noch ein unerschütterliches breites Grinsen, und sein Lachen war von einer unerklärlichen, unbeschreiblichen Lebensfreude.
    »Peace.« Der riesige Schwarze lachte und machte sich auf den Weg hinab in die Unterwelt. Sal Bianaculli folgte ihm, mit seiner Liste und der von Hand gezeichneten Karte der verschiedenen Gänge und Schachtausgänge, die sie in den vergangenen Monaten schon erkundet hatten. Dann Panas, Larry Chen und Biden. Alle trugen Schrotflinten oder Sturmgewehre und ein oder zwei Pistolen. Larry Chen hatte den Schwarzen Peter gezogen und musste den Flammenwerfer schleppen.
    Die Erde verschluckte sie.
    Harris stand nur da, starrte hinunter und dachte nach, bis er irgendwann bemerkte, dass Thompson ihn anschaute.
    »Also dann«, sagte der.
    Harris bückte sich und half ihm, den Deckel zurück an seinen Platz zu schieben. Den Rest des Tages würden sie sich hier abwechseln und auf die Rückkehr des Erkundungstrupps warten.
    Harris sah Julie aus Diaz’ Haus treten und herüberkommen. Er sah, dass Thompson sie auch beobachtete.
    Viele Männer betrachteten Julie. Sie war ein hübscher Anblick. Harris fragte sich kurz, was mit ihm nicht stimmte, warum er sie nicht so schätzen konnte, wie sie es verdient hatte. Wie es andere konnten.
    »Zigarette?« Thompson hielt ihm eine alte Packung ›Parliament‹ hin.
    »Nein, danke.« Er hatte noch nie viel fürs Rauchen übriggehabt.
    »Jungs«, begrüßte Julie sie. Natürlich wusste Julie, dass Thompson scharf auf sie war. Sie fand ihn weniger abstoßend als Diaz, weil Thompson nicht die Angewohnheit hatte, völlig zugedröhnt ganz Eden darüber in Kenntnis zu setzen, was für ein toller Liebhaber er war, und anbot, es allen Frauen der Stadt zu beweisen. Thompson war nicht annähernd so unangenehm. Trotzdem war Julie nicht interessiert. Sie interessierte sich für keinen Mann außer ihren eigenen. Das wusste Harris.
    Was Thompson darüber dachte, behielt er für sich, und das war Harris ganz recht.
    Falls er oder Diaz oder irgendeiner der anderen Männer jemals mehr versuchte, als zu gucken, konnte er sich dann immer noch darum kümmern.
    »Wie geht’s Shannon?«, fragte Thompson, klappte sein Zippo auf und zündete sich eine Zigarette an.
    Julie zuckte die Schultern. Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände, und keiner davon war angenehme Lektüre.
    Sie wussten alle, dass es bald geschehen musste.
    Thompson zog den Rauch tief in die Lunge.
    Harris seufzte. Dachte an Shannon, an Diaz. Wenn es so weit war, würde es hässlich werden, so viel stand fest. Er ahnte nicht, dass er seinen Freund Buddy zum letzten Mal gesehen hatte.

4
     
    Adlard rannte zur Ecke und hob die Hand, das Signal für alle anderen, stehen zu bleiben. Sie duckten sich auf der Straße, hinter kreuz und quer herumliegenden Wagen. Harris kauerte neben Bear, zwischen einem Geländewagen und einem Lexus, und sein Nebenmann bemühte sich, so unauffällig zu bleiben, wie es ein Muskelberg von über hundertzwanzig Kilo nur sein konnte.
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