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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut
Autoren: Katharina Burkhardt
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Arthurs Worten trauen konnte. Welcher Mann gab schon gegenüber einer Frau zu, dass er untreu war?
    »Dann unterscheidest du dich offenbar darin von Stefan«, sagte sie. Alles, was ihr noch durch den Kopf ging, schluckte sie hinunter. Sie sagte nur: »Danke, dass du hergekommen bist. Und überhaupt.«
    »Und überhaupt.« Ein trauriges, einsames Lächeln huschte über Arthurs Gesicht. Er streckte eine Hand aus und berührte Mia leicht am Arm. »Schlaf gut.«
    »Du auch.«
    Im Treppenhaus drehte Arthur sich noch einmal kurz um. Es schmerzte Mia, wie verloren er wirkte.
     
    Und überhaupt. Sie hockte sich mit angezogenen Beinen auf ihr Sofa. Und überhaupt. Und überhaupt. Und überhaupt. Was hatte sie da nur für einen Käse geredet? Aber was war das auch für ein seltsamer Besuch? Was genau hatte Arthur gewollt ? Sich entschuldigen? Abends um halb elf? Ausgerechnet an dem Tag, an dem sein Vater beerdigt worden war? Und was sollte diese Anspielung auf Stefan? Wollte er Mia warnen? Ihr ein schlechtes Gefühl bereiten?
    Sie umschlang ihre angezogenen Beinen mit den Armen und legte ihren Kopf auf die Knie. Arthurs verlorener Abschiedsblick ließ sie nicht los. Hatte er sich mehr von ihr erhofft, obwohl er wusste, dass sie mit Stefan zusammen war? Dann war er kaum besser als Stefan, der angeblich seine Finger nicht bei sich behalten konnte. Unbehagen beschlich Mia.
    Sie stand auf und ging nervös auf und ab. Arthur hatte sich doch nicht die ganzen drei Stockwerke zu ihr hinauf gequält, um sich bei ihr für die vergangenen Jahre zu entschuldigen. Nach so einem Tag, an dem er genug mit sich selbst zu tun hatte.
    Sie rief Stefan an. Aber es sprang nur seine Mailbox an. Nach einer Weile zog sie sich frische Unterwäsche, Jeans und eine schwarze Bluse an. Sie nahm ihren Mantel, rief sich ein Taxi und fuhr zu Stefan.
    In seiner Wohnung brannte Licht, doch Stefan öffnete die Tür nicht. Mia rief ihn erneut an. Wieder nichts. Ihre Brust krampfte sich schmerzhaft zusammen. Es gefiel ihr nicht, auf welche Weise Stefan die Dinge in die Hand nahm. Sie hätte gern selbst entschieden, wann zwischen ihnen Schluss war.
    Das Taxi stand noch auf der anderen Straßenseite. Mia eilte hinüber. »Nehmen Sie mich bitte wieder mit. Ich habe niemanden angetroffen.«
    »Wo soll's denn hingehen?«, fragte der Taxifahrer. »Wieder zurück?«
    »Ja.«
    Sie fuhren schweigend durch die nächtliche Stadt. Mia sortierte dabei ihre Gedanken und Gefühle.
    Dass Stefan ihre Beziehung nicht sauber beenden konnte, kränkte sie. Andererseits hatte sie selbst schon vor Wochen den inneren Rückzug angetreten. Wenn Stefan das nicht gespürt hätte, wäre er vielleicht noch da.
    Warum es nicht funktionierte, wusste sie selbst nicht. Stefan war ein wunderbarer Kollege und Freund, aber sie liebte ihn nicht. Erstaunt starrte Mia in die Nacht hinaus. Ja, genau das war der Punkt. Sie liebte Stefan nicht so, wie sie Frank geliebt hatte. Oder ihre früheren Freunde. Sie mochte und begehrte ihn, aber das reichte nicht. Liebe war etwas ganz anderes, ein tieferes, wärmeres Gefühl, das manchmal von Anfang an da war und manchmal erst mit der Zeit wuchs. Aber manchmal stellte es sich auch nie richtig ein, und alle Empfindungen blieben trotz einer großen körperlichen Anziehung lauwarm und oberflächlich. Mia war richtig erleichtert, als sie das begriff.
    Arthur kam ihr in den Sinn. Arthur, der in ihrem Treppenhaus stand und traurig lächelte. Ihr Herz krampfte sich erneut zusammen und etwas schnürte ihr die Kehle zu. Als ihr die Tränen kamen, wusste sie, was es war.
    Sie beugte sich zum Taxifahrer vor. »Bitte fahren Sie mich doch nicht nach Hause, sondern in die Hafencity. Ich muss dort noch was erledigen.«

32
     
    Im ersten Augenblick dachte sie, Arthur würde ihr nicht öffnen. Er brauchte ewig, bis er den Türsummer betätigte. Als sie vor ihm stand, begriff Mia auch, warum.
    Arthur befand sich in einem desolaten Zustand. Er hatte Jackett und Hose bereits abgelegt und die Prothese abgenommen, sein Hemd war halb aufgeknöpft, sein Gesicht von Kummer gezeichnet, die Augen waren gerötet. Es war ihm sicher nicht recht, dass Mia ihn so sah. Und doch ließ er sie herein.
    »Tut mir leid, mir geht’s grade nicht so gut«, sagte er mit einem verlegenen Lächeln.
    »Dafür musst du dich doch nicht entschuldigen.« Mia berührte ihn leicht am Arm, genau so, wie er sie vorhin beim Abschied berührt hatte.
    »Warum bist du hergekommen? Habe ich bei dir was vergessen?«
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