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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut
Autoren: Katharina Burkhardt
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fragte Stefan. »Ich versuche dich seit Stunden zu erreichen. Das Briefing ist auf morgen früh vorverlegt worden. Wir müssen uns unbedingt heute noch darüber abstimmen.«
    »Welches Briefing?«, fragte Mia zerstreut.
    »Na, das mit den Leuten von new energy. Worüber reden wir denn seit Tagen?« Stefan klang ungeduldig. »Was ist los mit dir?«
    »Ich war heute auf der Trauerfeier für Boy Kessler.«
    »Der Schriftsteller? Wieso das denn?«
    »Weil ich seine Bücher gern gelesen habe. Und weil ich seinen Sohn kenne.«
    »Welchen Sohn?«
    »Na, Arthur.«
    »Arthur? Arthur Kessler ist der Sohn von Boy Kessler? Das hast du mir nie erzählt.«
    »Ich dachte, du wüsstest sowieso immer alles.«
    »Jetzt sei doch nicht gleich so gereizt. Also, um wie viel Uhr kannst du hier sein?«
    Mia schloss die Augen. Am liebsten wäre sie ins Bett gegangen. Aber sie konnte Stefan nicht hängen lassen. »Gib mir eine Stunde«, sagte sie matt.
     
    »Willst du mit zu mir kommen?«, fragte Stefan am Abend. Es war spät geworden. Sie hatten sich eine Pizza ins Büro bestellt und nebenbei gegessen. Jetzt stand Mia auf und packte ihre Tasche.
    »Nimm's mir nicht übel, aber ich bin hundemüde.« Sie küsste Stefan leicht auf die Wange. Er zog sie zu sich heran. »Was mache ich denn dann jetzt? Da muss ich wohl in eine Bar gehen und mir eine andere Frau suchen.«
    »Untersteh dich!« Lachend schlang Mia ihre Arme um ihn und küsste ihn erneut, jetzt leidenschaftlicher.
    »Du kennst mich doch«, murmelte Stefan. »Ich bin ein unsteter Mann, immer für neue Abenteuer bereit.«
    Er sagte das auf eine Weise, die Mia beunruhigte. Aber sie erwiderte nichts. Für eine derartige Diskussion fehlte ihr an diesem Abend die Energie.
     
    Zuhause setzte sie sich vor den Fernseher, bemüht, nicht weiter über Stefans Worte nachzudenken. Eine belanglose Liebeskomödie mit Sophie Schütt lenkte sie ab und ließ sie zur Ruhe kommen. Allmählich fiel die Anspannung des Tages von ihr ab. Sie war gerade im Begriff, ins Bett zu gehen, als es an der Tür klingelte. Seufzend stand Mia auf. Es war fast halb elf. Um diese Zeit konnte das eigentlich nur Stefan sein, den übergroße Sehnsucht in Mias Arme trieb. Sie lächelte. Irgendwie war das ja nun auch wieder rührend.
    »Hier ist Arthur«, ertönte es zu ihrer Überraschung aus der Gegensprechanlage.
    Arthur! Ach, du liebe Zeit!
    Sie hatte gehofft, dass er sich bei ihr melden würde, allerdings hatte sie nicht so schnell damit gerechnet. Hastig sah sie sich um. Wieder war es ihr unangenehm, dass Arthur in ihr häusliches Chaos platzte. Die Unordnung hielt sich jedoch in Grenzen. Im Flur lagen mehrere Stiefelpaare unordentlich herum und das Bett war nicht frisch bezogen, was sich nun aber nicht mehr ändern ließ – genauso wenig wie die Tatsache, dass sie wie bei Arthurs letztem Besuch eine uralte Jogginghose trug und darunter eine noch ältere, ausgesprochen unvorteilhafte Unterhose. Aber wen interessierte das? Als ob Arthur, von einer kleinen, fatalen Ausnahme abgesehen, jemals ihre Unterhosen zu Gesicht bekommen hätte, geschweige denn ihr Bett. Energisch drückte Mia auf den Türöffner.
    Arthur brachte einen Schwall kalter Luft mit herein, und wie bei seinem letzten Besuch (war das tatsächlich schon ein Jahr her?) schien er den ganzen kleinen Flur auszufüllen. Er trug immer noch seinen schwarzen Anzug mit der schwarzen Krawatte.
    »Was machst du hier?«, fragte Mia. Sie wurde von einer geradezu lächerlichen Nervosität erfasst. »Wieso bist du nicht bei deiner Familie?«
    »Sie sind alle ins Bett gegangen«, erklärte Arthur und blieb unschlüssig im Flur stehen. »Es war ein langer Tag.« Er sah auch erschöpft aus. Verlegen machte Mia eine Geste in Richtung Wohnzimmer.
    »Willst du … komm doch rein, wenn du magst.«
    Arthur suchte an ihrer übervollen Garderobe einen Platz für seinen Mantel, dann betrat er zögernd ihr Wohnzimmer. Er sah sich um. Der Fernseher lief noch, auf dem Fensterbrett brannte eine Kerze, auf einem Tischchen standen eine Thermoskanne und ein Teebecher. Der kleine Raum strahlte eine Wärme und Gemütlichkeit aus, nach der Arthur sich den ganzen Tag gesehnt hatte. Am liebsten hätte er sich der Länge nach auf das Sofa gelegt und wäre nie mehr aufgestanden.
    »Willst du etwas trinken?« Mia riss ihn aus seinen Gedanken. Sie schaltete den Fernseher aus und schob auf dem Sofa eine Decke zur Seite.
    »Gerne. Einen Tee, wenn du noch welchen hast«, sagte Arthur mit Blick auf die
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