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e-Motion

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Titel: e-Motion
Autoren: Erica Orloff
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veröffentlichte kein zweites Buch. Er gab keine Interviews. Niemand außer seinem Verleger hörte je wieder von ihm. Dann starb sein betagter Verleger, und von da an hörte niemand außer der Honorarabteilung seines Verlages von ihm.
    „Er sagte, dass ich ihn verstehen würde.“ Lou betrachtete versonnen den Umschlag von
Simple Simon
. „Er hat in
Publisher’s Weekly
den Artikel über West Side gelesen. Wie ich nach Helens Tod hierher kam. Cassie, er will, dass
ich … wir
sein nächstes Buch machen.“
    Ich überlegte kurz, ob ich zur dramatischen Steigerung von der Couch fallen sollte, aber ich blieb sitzen und bemühte mich um einen möglichst intelligenten Tonfall.
    „Warum du? Weil du Witwer bist?“
    Ich sah Lou an. Das wenige Haar, das er noch hatte, war silberfarben, und er trug eine Brille mit Goldrand. Klein und von schmaler Statur hätte man ihn für elegant halten können. Bis er seinen Mund aufmachte. Dann war der New Yorker Slang nicht mehr zu überhören. „Ach, Scheiße, wenn ich’s nur wüsste, wirklich, Mann. Er hat von der Nacht damals auf Key West gesprochen. Dass wir sofort einen Draht hatten. Er sprach darüber, wie er seine Frau in ihrem Garten gefunden hat. Er hat gesagt: ‚Ich lebe seit über zwanzig Jahren mit ihrem Geist. Sie verlässt mich nie. Und es wird nicht besser.‘“ Lou suchte meinen Blick. „Genau so geht es mir mit Helen.“
    „Ich weiß“, sagte ich leise.
    „Er sucht nicht nach irgend so einem gesichtslosen Fuzzi, der sein Buch rausbringt. Er will mich. West Side. Uns. Wenn er
Publisher’s Weekly
liest, dann weiß er, wie die Verleger sich gegenseitig auffressen. Nicht mehr lange, und es gibt nur noch ein gigantisches Scheißverlagshaus, und jedes Buch gehört dem einen dreckigen Konzern. Wenn es erst soweit ist, wird ihm kein Mensch mehr die Beachtung schenken, die er verdient.“
    „Blödsinn. Wir reden von Riggs. Und der Fortsetzung von
Simple Simon
. Um das Buch machen zu können, würde jeder Verleger dem Teufel seine Seele verkaufen, kaum dass du ihm die erste Zeile gezeigt hast.“
    „Dazu müssten sie allerdings eine Seele haben.“
    „Sie würden ihm einen Vorschuss von zwei Millionen Dollar zahlen. Garantiert würden sie das. Was kannst du ihm denn anbieten? Unsere üblichen fünfzehntausend?“
    „Nun … ehrlich gesagt, er will gar keinen Vorschuss. Er will nur einen Haufen Kontrolle.“
    „Kontrolle?“
    „Soll ich weiterreden?“ Er zog die Augenbrauen hoch, eine Geste, die er immer macht, wenn er mir etwas sagen will, das mir möglicherweise nicht gefallen könnte. Hochgezogene Augenbrauen, und ich soll ein Buch in zwei Wochen druckreif bearbeiten.
    „Er möchte, dass du sein Buch betreust.“
    Ich glaubte, mein Herz setzte einige Schläge aus, und in der Stille hörte ich die Uhr auf Lous Regal ticken.
    „Ich?“ Ich fing wieder an zu atmen. „Wie hat er denn von mir gehört?“
    „Du warst in dem Artikel auch erwähnt.“
    „Ich fühle mich geschmeichelt, hätte es allerdings auch nicht akzeptiert, wenn du das Buch jemand anderem gegeben hättest.“
    „Ich bin froh, dass du so darüber denkst.“ Pause. Hochgezogene Augenbrauen. „Er möchte nämlich, dass du bei ihm wohnst, während du an dem Text arbeitest.“
    „Wie bitte?“ Ich stellte meinen Kaffeebecher ab.
    „Ja. Er will, dass du für einen Monat bei ihm einziehst. Du sollst das Manuskript einmal so richtig durch den Wolf drehen.“
    „Durch den Wolf drehen?“
    Lou zuckte mit den Schultern.
    „Roland Riggs’ Roman durch den Wolf drehen? Man dreht Texte eines Genies und Pulitzer-Preisträgers nicht einfach durch den Wolf.“
    „Vor einer Minute hast du noch gemeckert und behauptet,
Simple Simon
sei nichts Besonderes. Es würde die Leute nicht verändern. Und weinen würden sie nur, wenn sie meine Liste für die Wäscherei sähen.“
    „Vor einer Minute war ich aber auch noch nicht Roland Riggs’ neue Lektorin. Vor einer Minute musste ich mein schönes Strandapartment auch noch nicht gegen sonst was für eine Behausung eintauschen, um mit diesem Einsiedler zu leben, der nach allem, was ich gehört habe, mit den Jahren ein Fall für die Klapsmühle geworden ist. Himmel, er klingelt dich mitten in der Nacht wach, um an eine dreißig Jahre zurückliegende Unterhaltung anzuknüpfen.“
    „Cass, selbst wenn er ein Fall für die Klapsmühle wäre, könntest du ihn zu deiner ersten Tasse Kaffee weichkauen und wieder ausspucken. Mit Michael Pearton bist du ja auch fertig
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