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e-Motion

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Titel: e-Motion
Autoren: Erica Orloff
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seinem charmanten englischen Akzent zu überreden. „Begrüß den neuen Morgen mit mir.“
    „Den neuen Morgen begrüßen? Michael, ich möchte den neuen Morgen nicht mit dir begrüßen. Ich möchte nicht mal den kommenden Mittag mit dir begrüßen.“
    „Ich fasse es nicht! Du willst diesen prächtigen Anblick der aufgehenden Sonne nicht von deinem Balkon aus mit mir genießen? Mit deinem Lieblingsautor?“
    „Lieblingsautor
ist im Moment nicht das Wort, das mir als Erstes zu dir einfällt. Das ist es
absolut nicht
.“ Ich seufzte. „Solche Huldigungen kommen einem nach einer netten Danksagung besser über die Lippen.“
    „Für die weltbeste Lektorin, der Liebe meines Lebens, Cassie Hayes, ohne die dieses Buch niemals möglich gewesen wäre, und ohne die ich die embryonale Grundhaltung einnehmen und auf ewig in ihr verharren würde, denn ein Leben ohne die schöne und kluge Cassie Hayes wäre ganz einfach keins.“
    „Das ist doch ein Anfang.“
    „Nicht zu vergessen ihr bemerkenswerter Sinn für das Erhabene und ihren unfehlbaren Riecher für jedes wackelige Partizip.“
    „Und was noch?“
    „Gerade vor Morgengrauen ist sie besonders süß.“
    Ich rekelte mich und seufzte erneut. „Okay. Ich ziehe mir etwas über und setze einen Kaffee auf.“
    „Bist du etwa nackt, Cassie?“
    Michael Pearton war vermutlich der beste Schriftsteller, mit dem ich je zusammengearbeitet hatte. Außerdem hatte er einen geheimnisvollen Zug an sich. Die Porträtfotos auf der Rückseite seiner Bücher zeigten einen Mann mit schwarzem lockigen Haar und einem schiefen Lächeln, das von einer langen, breiten Narbe auf dem zweifellos kantig zu nennenden Kinn vollendet wurde. Er war beides: gut aussehend wie ein Filmstar und bedrohlich wie ein Türsteher. Wir hatten uns noch nie gesehen, aber bereits ausgiebig auf eine Weise geflirtet, die die Grenze zum Telefonsex eindeutig überschritt. Da das die einzige Art von Sex war, die ich überhaupt hatte, tolerierte ich sein Vor-Sonnenaufgang-Gesäusel.
    „Warum fragst du? Ja, Michael, das bin ich“, murmelte ich. „Splitterfasernackt. Meine Brustwarzen sind hart, denn wenn du dich an meine Worte erinnerst, kühle ich diese Wohnung auf die Temperatur eines Gefrierschranks herunter, egal wie das Wetter draußen ist. Und besagte Brustwarzen werde ich jetzt in meinen Bademantel hüllen und barfuß in die Küche schlurfen, um mir dort Kaffee aufzusetzen.“
    Ich klemmte mir das schnurlose Telefon unter das Kinn, redete mit heiserer Stimme weiter – vor meinem ersten Kaffee bin ich immer heiser – und verknotete den Gürtel meines grünen Seidenkimonos, den mir ein anderer Autor von einer Singapurreise mitgebracht hatte.
    „Ich liebe es, wenn du schmutzige Sachen sagst, Cassie.“
    „Und ich liebe es, wenn du mich deutlich
nach
Sonnenaufgang anrufst.“
    „Du bist unausstehlich, wenn du deinen Kaffee noch nicht hattest. Dabei weißt du genau, dass du besser auf Tee umsteigen solltest. Hast du eigentlich jemals das Service benutzt, das ich dir geschickt habe?“
    Ich machte Licht in der Küche, und, geblendet von dem strahlenden Weiß der Kacheln und Schränke, wandte ich die Augen ab, und mein Blick fiel auf das noch kein einziges Mal angerührte silberne Teeservice, das ich auf meinem Frühstücksregal postiert hatte. Er hatte es auf irgendeinem Flohmarkt erstanden und es mir in die Staaten geschickt. Die Kanne war angelaufen, aber der kunstvoll gearbeitete und reich verzierte Griff war richtig schön barock, und obwohl es zu rein gar nichts in meinem Apartment passte, liebte ich es.
    „Natürlich. Es ist spitze.“
    „Du bist eine ausgesprochen schlechte Lügnerin. Aber ich vermute, dass es wirklich hübsch aussieht, egal wo es steht.“
    „Michael, warum überkommt dich die Inspiration eigentlich nur, wenn es bei
mir
tiefste Nacht ist?“
    Meine Kaffeemaschine, Mister Coffee, begann, erste Geräusche von sich zu geben und ich beschwor sie, etwas schneller zu machen.
    „Das ist wirklich verrückt. Ich gehe ins Bett, und mitten in der Nacht wache ich auf und weiß genau, wie es weitergehen muss. Ach so … und die Dusche. Unter der Dusche fühle ich mich auch oft inspiriert. Aber jetzt, wo jeder Mensch in London langsam ans Mittagessen denkt, muss ich diese verdammte Szene nur noch zu Ende bringen und … Es ist traurig, wirklich. Ich besitze einen antiken Zwanzigtausend-Dollar-Sekretär aus Kirschholz, der selbst der Queen zur Ehre gereichen würde, aber es will mir nicht
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