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e-Motion

e-Motion

Titel: e-Motion
Autoren: Erica Orloff
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Studio nur von einer schwachen Schreibtischlampe erleuchtet. Ein Kaminfeuer erfüllte den Raum mit Kiefernduft.
    „Cassie.“ Michael lächelte mich an, und ich spürte, wie mir alle Luft entfuhr. Es war, als ob meine Seele meinen Körper verlassen hätte und auf der Suche, erneut zu einem Ganzen zu verschmelzen, durch die Gegend schwirrte. Mit einer Kraft, die dem Hämmern meines Herzens gleichkam, fuhr sie nach einem Moment wieder in mich hinein, und ich wusste, dass ich wieder eins war.
    Er aber war es nicht. Michael Pearton lächelte mich von einem Rollstuhl aus an.
    Ich ging zu ihm und kniete mich vor ihm hin.
    „Was ist das?“
    „Ein Rollstuhl.“
    „Jetzt red keinen Schwachsinn. Wofür brauchst du ihn? Ich verstehe das nicht.“
    „Gib mir zuerst einen Kuss. Denn wenn du mir gleich erzählst, dass du morgen den Rückweg nach Florida antrittst, will ich dich wenigstens geküsst haben.“
    Er zog mich zu sich heran, und ich legte meine Arme um seinen Nacken. Er hielt mich fest umschlungen, als wollte er die Grenzen zwischen uns aufheben. Wir küssten uns lange, ohne Luft zu holen, oder vielleicht atmeten wir uns auch gegenseitig ein. Und als wir endlich aufhörten und uns ansahen, wurde mir klar, dass er in Wirklichkeit genauso schön war wie auf jedem seiner Fotos. Für einen Augenblick hatte ich beinahe vergessen, dass der Mann, auf den zu treffen ich all die Jahre gewartet hatte, in einem chromfarbenen Rollstuhl saß.
    „Willst du was Komisches hören, Cassie?“ fragte er und fuhr mir dabei durchs Haar.
    „Ich weiß, meine Frisur. Das Wetter tut ihr nicht gerade gut.“
    „Das meine ich nicht … Vor zwei Tagen konnte ich noch laufen. Ich bin viel gestolpert, aber ich konnte laufen. Ich habe MS, Cassie. Und als du mich angerufen und mir gesagt hast, dass du kommen würdest, musste ich hier in einem Rekordtempo aufräumen, denn ich wollte, dass diese Hütte nicht wie ein runtergekommenes scheiß englisches Schloss auf dich wirkt. Dabei habe ich mich übernommen, und so sitze ich nun in dieser blöden Kiste.“
    „Multiple Sklerose. Oh Michael … es tut mir so Leid.“
    Sein Blick verdüsterte sich für einen Moment. „Das muss es nicht, Cassie. Normalerweise geht es mir gut. Ich habe nicht vor, an deiner Seite dahinzusiechen oder dergleichen. Aber mir ist klar, dass sich das Blatt damit gegen uns gewendet hat, für dich wenigstens. Wir haben dieses Wochenende zusammen, und danach kannst du gehen. Ich würde es verstehen, Cassie.“
    „Michael, wenn es eins gibt, was du dir ein für alle Mal in deinen Schädel bimsen musst, dann, dass ich eine fürchterlich halsstarrige Zicke bin. Und wenn du glaubst, dass du mich mit so einer pseudo-edelmütigen Masche loswirst, dann hast du die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht.“ Ich strich ihm mit dem Finger über die Narbe in seinem Gesicht und stellte mir vor, wie ich in Zukunft jeden Morgen neben ihr, neben allem anderen, aufwachen würde.
    „Ich wusste, dass du schon aus lauter Mitleid bei mir bleiben würdest.“
    „Das denkst aber auch nur du. Ich will Frühstück! Und ich sage dir gleich, dass ich nicht abwaschen werde.“
    „Lass mich raten, du zerschmeißt das Geschirr, wenn du fertig bist.“
    „Es soll Situationen geben, wo so etwas vorkommt.“
    „Und nach dem Frühstück?“ Er hob eine Augenbraue.
    „Dann vögeln wir so lange, bis wir nicht mehr wissen, wie wir heißen. Und dann lesen wir die Zeitung im Bett. Und zum Mittag gibt es eine Suppe.“
    „Eine Suppe?“
    Ich lächelte. „Ja.“
    „Und wie hättest du deine Eier gern, Cassie?“
    „Hat damit nicht alles angefangen?“
    „Was?“
    „Unsere letzte Sitzung wegen deiner Schreibblockade.“
    „So war es wohl.“
    „Schreib es dir hinter die Ohren, Michael, ich vertraue dir blind. Mach die verdammten Eier, wie du willst.“
    „Das ist mal eine Frau nach meinem Geschmack.“
    Ich stand auf und ging hinter den Rollstuhl.
    „Ich kann das allein, Cassie. Ist schon okay. Ich komme mir ohnehin schon blöd genug vor in dem Ding, wo du endlich von Amerika rübergeflogen bist.“
    „Ich schiebe dich. Nimm es als Zeichen meiner grenzenlosen Ergebenheit.“
    „Bist du meine Krankenschwester?“
    „Nein. Ich erwarte dafür nachher eine Gegenleistung.“
    „Du bist ein durchtriebenes Luder.“
    „Das höre ich immer wieder, Michael. Das höre ich immer wieder.“
    Ich schob Michael hinaus auf den Flur. Charlie hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Er stand nach wie vor
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