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e-Motion

e-Motion

Titel: e-Motion
Autoren: Erica Orloff
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Büro ganz knicken sollte. Dank Rufumleitung und E-Mail und dank der rückhaltlosen Bewunderung meines Chefs, war es mir gestattet, drei Tage in der Woche zu Hause zu arbeiten. Freitag hätte ich eigentlich in den Verlag gemusst, aber egal. Ich schaltete mein Telefon auf stumm und schlief sofort ein. Ich träumte davon, in Pools mit Sauce Hollandaise zu schwimmen.
    Um elf Uhr hörte ich das gedämpfte Klingeln aus der Küche. Mir entging nicht, dass der Anrufer es wacker immer wieder probierte, obwohl niemand abnahm. Es klingelte viermal, das Band sprang an. Auflegen. Viermal Klingeln. Das Band. Auflegen. Viermal Klingeln …
    „Ist ja schon gut, zum Kuckuck. Was willst du, Lou?“ Es war mir schließlich doch gelungen, den Hörer neben meinem Bett zu angeln.
    „Woher hast du gewusst, dass …?“
    „Du bist der einzige Mensch, der ignorant genug ist, um sich so etwas zu erlauben.“
    „Ich brauche dich heute hier.“
    „Tut mir Leid. Ich habe meine Stunden letzte Nacht, besser gesagt heute Morgen, aber du verstehst schon, was ich meine, mit unserem neurotischen Engländer abgeleistet. Wir sehen uns Montag.“
    „Es geht um eine große Sache.“
    „Was soll das heißen?“
    „Größer als Stephen King, richtig groß. Das könnte mir Millionen einbringen. Und dir einen Bonus, mit dem du in Frührente gehen kannst.“
    „Schieß los, wer ist es?“
    „Kann ich dir nicht sagen.“
    „Lou, wir sind hier nicht auf der High School. Nicht, dass ich glaube, dass du sie je besucht hättest. Du kamst auf die Welt und hast erstmal deine Geschwister gefressen.“
    „Cassie, mein Herz, du spazierst hier ein und aus, wie es sich für eine Diva gehört. Diesmal aber rate ich dir ernsthaft, deinen Hintern hochzukriegen, dich anzuziehen und mich im Verlag zu treffen. Ich werde eine Leitung von der Kaffeemaschine in dein Büro legen lassen.“
    „Ich hoffe, die Sache ist es wert.“
    „Ist sie. In höchstem Maße.“
    Ich kroch, für meinen Geschmack noch immer bedeutend zu früh, aus dem Bett, warf den gebrauchten Filter in den Müll und bereitete Mister Coffee, den einzigen Mann, der dieses Apartment in den vergangenen anderthalb Jahren gesehen hat, auf die zweite Kanne an diesem Tag vor. Nachdem das Koffein seine Wirkung getan, ich heiß geduscht, meinen karminroten Lippenstift aufgetragen und meine Haare etwa so durchgewuschelt hatte, dass sie an ein zotteliges Hundefell erinnerten, zog ich mir Jeans und T-Shirt an, schlüpfte in einen Leinenblazer, und machte mich auf den Weg über den Florida Ocean Highway hinunter in Richtung des West-Side-Publishings-Verlagsgebäudes.
    Ich bin mir nicht mehr sicher, wie es mich eigentlich in einen Landstrich verschlagen konnte, der sich durch rosafarbene Paläste und ewigen Sonnenschein auszeichnete. Das passt nicht zu meiner Persönlichkeit. Als Lou von New York hierher zog, hat er mich vermutlich einfach mitgenommen. Er kam zum Fischen und wegen der Sonne her. Er kam, weil er nach Helens Tod aus New York weg wollte. Und ich kam, weil er kam.
    Ich stieg aus meinem so gut wie nagelneuen Cadillac, den ich für einen Spottpreis aus dem Nachlass eines älteren Herren erstanden hatte. Seine Kinder wollten Bares. In Florida kann man jede Menge Schnäppchen machen, wenn man sich nicht daran stört, dass die Sachen Toten gehörten. Als Lou ihn zum ersten Mal sah, dachte er, nun wäre ich komplett übergeschnappt. „Ein bananengelber Caddy? Fährst du gern als Obst durch die Gegend?“ Aber ich bin klaustrophobisch. Ich bewege mich gern in luxuriösen Straßenpanzern.
    Im Fahrstuhl drückte ich die siebte Etage und rauschte vollverglast nach oben zu den Büros von West Side.
    „Morgen Cassie“, begrüßte mich Troy, Empfangschef und Lektoratsassistent, je nachdem.
    „Mo’gen“, murmelte ich.
    „Du siehst furchtbar aus.“
    „Danke.“
    „Keine Ursache. Kaffee?“
    „Intravenös.“
    „Du hast es erkannt.“ Er reichte mir einen Becher. „Fürs erste kannst du damit anfangen. Ich bring dir frischen, sobald er durchgelaufen ist.“
    Ohne anzuklopfen öffnete ich die Tür zu Lous Büro.
    „Es sollte die Sache wirklich wert sein. Ich bin heute
extrem
schlecht gelaunt“, sagte ich und postierte den Becher zwischen Stapeln mit von West Side veröffentlichten Büchern auf einem kleinen Mahagonitisch, bevor ich mich auf einer buttercremefarbenen Couch niederließ.
    „Dann ist ja alles wie immer.“
    „Wenn mir nach Beleidigungen wäre, hätte ich mit meiner Mutter
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