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Durcheinandertal

Durcheinandertal

Titel: Durcheinandertal
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Verstorbenen im Himmel gleichsam seine Witwen seien, teils seiner nicht minder geliebten, noch lebenden Cäcilie. Sogar was er von seinen Büchern erhalte, falle seinen Gattinnen zu, da er ohne ihr Geld seine Wälzer nie hätte schreiben können.
    Der Große Alte sah genauer. Bretter über einen Abgrund stürzen unvermutet ein. Moses Melker konnte sich nicht vorstellen, daß gerade häßliche Männer auf die schönsten Frauen erotisch zu wirken vermögen. Sein sexuelles Minderwertigkeitsgefühl war so enorm, daß ihn sogar die Eroberung gleich zweier Millionärinnen deprimierte, die ebenso häßlich waren wie er und sich mit Leichtigkeit mit schönen Männern hätten eindecken können. Denn kaum hatte er eine erobert, begann es im Abgrund wieder zu brodeln.
    Finsterer Verdacht stieg auf, Emilie Lauber habe ihn nicht seiner männlichen Vorzüge, seiner sexuellen Gier wegen geheiratet, die in ihm wütete, sondern seine religiöse Hilfskonstruktion habe sie verführt, womit er aus dem Sumpf seiner Komplexe zu klettern versuchte. Daß sie sich dann noch einbildete, der Erzengel Michael zu sein, mußte ihn zur Raserei bringen. Hielt der Große Alte Moses Melkers Beihilfe am Absturz von einer Eiche seiner ersten für wahrscheinlich, sei es, daß er ihr nachgeklettert war, sei es, daß er den Ast, auf 12
    dem sie zu sitzen pflegte, angesägt hatte (wer forscht bei einem Gottesmann schon nach), so war der Große Alte sicher, daß Melker seine zweite Gattin persönlich in den Nil gestoßen hatte. Eine Hochzeitsreise von Assuan nach Luxor, der ein Besuch von Abu Simbel voranging, konnte nur Ottilie Räuchlin eingefallen sein. Moses Melker mußte angesichts der Monumentalstatuen Ramses’ II. wie ein genmanipulierter Schimpanse gewirkt haben. Der Große Alte sah im Geiste Ottilie Räuchlin vor sich. Sie war erhaben, mächtig und häßlich. Der Große Alte achtete sie so, wie er Moses Melker belachte. Er liebte deren Souveränität, sie hätte sich Männer je nach Laune und Gusto halten können, wer wäre nicht gern mit Hilfe ihrer Millionen in ein angenehmeres Leben gestartet.
    Doch mit einem Schönling als Gatten hätte sie ihre Häßlichkeit betont, mit Moses Melker zeigte sie, daß sie sich nichts aus ihr machte. Diese Demütigung vermochte Melker nicht zu ertragen. In der Nähe von Edfu stand der Mond über dem Nil.
    Melker befand sich mit Ottilie Räuchlin allein auf Deck. Moses Melker nahm zähnefletschend einen Anlauf und wäre beinahe ihr nachgefallen. Niemand hörte das mächtige Platschen. Sie war so überrascht, daß sie nicht einmal schrie.
    Schmuckbeschwert ging sie wie ein Stein unter. Moses Melker vergaß seine Tat augenblicklich. Die Bretter der Theologie klappten den Abgrund zu, kaum hatte er gehandelt. Er ging in seine Kabine und begann ›Von zwei Engeln geführt‹ zu schreiben, seinen Bestseller, in über dreißig Sprachen übersetzt, eine Huldigung an seine zwei ermordeten Frauen und ihnen gewidmet. Erst am nächsten Morgen, gegen Mittag, meldete er verstört dem Kapitän, seine Frau sei aus ihrer Kabine verschwunden. Man suchte, fand nichts und schöpfte keinen Verdacht. Seine Trauer war echt. Er hatte keine Ahnung mehr. Doch als er ob Grienwil in seine Villa zurückkehrte und das Schlafzimmer betrat, kam ihm die Erinnerung wieder. Im 13
    Ehebett lag gewaltigen Busens, dreikinnhoch seine Schwägerin Cäcilie Räuchlin, in einem durchsichtigen Seidenhemd, auf ihren Bäuchen lagen Pralinenschachteln, und sie rauchte Zigarren und las einen Kriminalroman. Cäcilie Räuchlin schaute Moses Melker an, rauchte und las weiter. An ihrem Blick hatte Melker erkannt, daß sie alles wußte. Er kroch zu ihr ins Bett und in seine dritte Ehe.
    Das sind natürlich nur Hypothesen, das Gelächter des Großen Alten zu erklären, und auch die zwei Leichen im Abgrund des Unterbewußtseins des Theologen sind Hypothesen, die Welt ist nicht immer so makaber, wie sie sich der Große Alte vorstellte, wenn auch meistens makaberer. Doch gesetzt, die Geschichte, die hier erzählt ist, stellt eine sowohl durcheinander- als auch durchgehende Geschichte dar, wo sich eines aus dem anderen und durch das andere entwickelt, und nicht ein Bündel von Geschichten ohne Zusammenhang, wird der Grund des Gelächters in einem Hintergedanken zu suchen sein, auf den der Große Alte gekommen war, sei es nun durch Melker, durch dessen drei Ehen oder durch dessen Theologie.
    Möglicherweise. Einer der Rechtsanwälte von Raphael, Raphael und Raphael wurde
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