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Dunkles Verhaengnis

Dunkles Verhaengnis

Titel: Dunkles Verhaengnis
Autoren: James Sallis
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Grund, wegen seines Aussehens, wegen seiner Arglosigkeit, zog er Ärger geradezu magnetisch an. Leute gingen auf ihn zu, und er wich keinen Zentimeter zurück. Don Lee und ich
mussten regelmäßig ausrücken, nur um am Ort des Geschehens wieder mal Billy anzutreffen. Kneipenschlägereien, Verkehrsvergehen, Hausfriedensbruch. Vor einem Jahr hatte er dann geheiratet, war in den Baumarkt zurückgekehrt, und es schien für ihn ganz gut zu laufen. Ein paar Monate später verschwand er. Wir fanden seinen Truck draußen auf der Hill Road Bypass, wo er an den Straßenrand gefahren war und den Bus nach Little Rock angehalten hatte. Seine Frau Milly erzählte, sie hätte ihn oft gesucht und dann im Keller sitzend gefunden, wo er Holz in kleine und immer kleinere Stücke zersägte.
    Ich half Rory, Billy in den Krankenwagen zu verfrachten, und ging anschließend zu Lonnie hinüber.
    Zwei Typen draußen beim Angeln, freuten sich auf einen ruhigen, unbeschwerten Tag. Sandwiches, vielleicht das eine oder andere Bier, der Eimer mit Ködern in Griffweite, eine dösige Sonne am Himmel. Und jetzt das. Fragil , wie Doc sagte. Wie vergänglich unser Leben doch ist, wie provisorisch, jeder einzelne Tag, jeder Augenblick.
    Einmal war ich oben im Camp gewesen, als Isaiah Stillman, wie er es ausdrückte, »die Wäsche machte« – er bilanzierte die Bücher des Familienvermögens, das er verwaltete. An diesem Abend sortierte er alte Ordner und Dateien aus und hatte alles
in den Papierkorb gezogen. »Wir sind nie weiter als einen Tastenanschlag davon entfernt, in Vergessenheit zu geraten«, sagte er und drückte die Taste, um den Papierkorb zu entleeren.
    Im einen Moment ist Lonnie unterwegs, angeln, im Nächsten steht er auf der Main Street und schaut auf seinen blutenden, schwer verletzten Sohn hinab.
    Oder man sitzt zusammen auf der Veranda, dann ist sie plötzlich nicht mehr, und du musst anfangen, herauszufinden, wie viel Musik du mit den Mitteln machen kannst, die dir noch bleiben.
    »Du kommst mir jetzt nicht mit: alles wird wieder gut, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Du fängst auch nicht an mit: ›Falls ich irgendwas für dich tun kann‹, und lässt den Satz dann unvollendet ausklingen.«
    »Nein.«
    »Natürlich nicht.«
    Lonnie ging zu dem Buick hinüber und schloss die Tür. Einer von Billys Schuhen lag dort auf der Straße.
    »Kennst du diese Kurzgeschichte von John Collier, von dem vernünftigen Vater und seinem kleinen Sohn?«, fragte Lonnie.
    Ich verneinte.

    »Der Sohn behauptet, einen mächtigen Freund zu haben, Mr. Beelzy. Der Vater zwingt seinen Sohn, zuzugeben, dass er sich Mr. Beelzy nur einbildet. Der Junge hält ziemlich lange durch, scheint schließlich aber klein beizugeben. Am Ende der Geschichte finden sie von dem alten Herrn auf der Treppe nur einen Schuh, in dem noch der Fuß steckt.«
    Er ging zum Heck des Wagens. »Ob’s das echte Nummernschild ist?«
    »Ich jag’s durch den Computer.« Auf den Muttern befand sich der gleiche Dreck wie auf dem Schild selbst. Um die Muttern herum keine Spur von Abrieb. »Sieht allerdings nicht danach aus, als wär es gewechselt worden.«
    »Zunächst mal müssen wir herausfinden, wem das Auto hier gehört.«
    »Auf jeden Fall. Ich werde mich sofort darum kümmern. Ach, und …«
    »Ja?«
    »Schön, dass du wieder zurück bist, Sheriff.«

Kapitel Drei
    Diesmal war es der Lärm eines Motorrads, nicht eines Jeeps. Es kam im späten Sonnenlicht um den See herum, das Echo lärmte auf dem Wasser und an der Wand der Hütte hinter mir, als ich dort stand und über Lonnie nachdachte, dieses erste Mal. Damals war ich bereits ein paar Monate hier gewesen. Der Sheriff war zu einem Höflichkeitsbesuch vorbeigekommen, und auch, um mich zu bitten, bei einem Mordfall auszuhelfen.
    Der Banjo-Koffer war hinter ihm auf dem Motorrad befestigt, der Hals ragte senkrecht nach oben, so dass auf die Entfernung einen Moment lang ein zweiter Kopf über seiner Schulter zu schweben schien. Er stieg ab, richtete sich auf und nickte. Er wirkte reifer, der Körper drahtiger, das Haar kurzgeschoren, aber sein breites Grinsen hatte sich nicht im Geringsten verändert.
    »Alles noch ziemlich beim Alten, wie ich sehe. Immer noch ein netter, ruhiger Ort zum Leben.«
    »Dann warst du das unten in der Stadt.« Er hatte etwas abseits von den anderen gestanden, an einer
Stelle, die anderswo vielleicht Seitenstraße genannt worden wäre, ein Durchgang neben der mit Brettern vernagelten Futterhandlung, in den
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