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Dunkles Verhaengnis

Dunkles Verhaengnis

Titel: Dunkles Verhaengnis
Autoren: James Sallis
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Straßenrand hochhielten. Er gab ihnen dafür ein oder zwei Dollar. GESTRAN-DET. ARBEITE FÜR ESSEN. OBDACHLOS GOTT SEI DANK. VETERAN – ZWEIFACH. Hatte inzwischen über dreißig. Eine hübsche Ansammlung.
    Lonnie neben mir sagte: »Ich erinnere mich, wie ich früher auf den letzten Drücker durch den Flughafen gerannt bin, noch in den Flieger gesprungen bin, als sie die Gangway schon zurückfuhren. Heute muss man zwei Stunden vorher da sein, einen Zettel von deiner Mutter dabei haben, durch Tore gehen, sich von Hunden beschnüffeln lassen. Seine gottverdammten Schuhe ausziehen.«
    »Hat dir schon mal einer gesagt, dass du dich langsam genauso anhörst wie Doc?«
    Sein Blick wanderte zu Eltern, die einen jungen Mann begrüßten, der den Korridor von der Maschine herunterkam, die er gleich nehmen würde, dann sah er mich wieder an. »Es wird alles immer nur noch härter, Turner.«
    Er hatte natürlich Recht. Dinge werden härter, und wir werden weicher. Oder wir werden, zumindest
manche von uns, auch immer härter und lassen immer weniger von der Welt zu uns hinein.
    »Hat June dir erzählt, dass sie heiratet?«
    Hatte sie nicht.
    »Ihren sogenannten Gärtner«, fuhr Lonnie fort. »Der Mann verdient sich seine Brötchen, indem er Leuten den Rasen mäht, so sieht’s aus. Im August. Sie wollte dich fragen … Aber ich schätze, das macht ihr beide am besten unter euch aus.«
    Nach unserer Unterhaltung im Jeep während der Rückfahrt aus Memphis vor drei Tagen hatte Lonnie nichts mehr gesagt, aber sein Blick sprach Bände, und in der Enge der Fahrerkabine meinte ich körperlich zu spüren, was in ihm vorging. Die Welt ist so sehr voller Worte. Und doch bleibt so vieles, was wirklich wichtig ist, für immer unausgesprochen.
    Minuten später wurde Lonnies Flug aufgerufen. Ich stand da und verfolgte, wie seine Maschine auf die Startbahn hinausrollte, wartete, bis sie an der Reihe war, und dann zum großen Sprung ansetzte, dachte dabei an die Schubkraft der Turbinen, den Hochmut der Schwerkraft, an diesen magischen Augenblick, wenn der Boden loslässt und man schwerelos ist, frei.
    Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was meinen Freund erwartete.

    Auf der Rückfahrt kramte ich im Handschuhfach und fand das Band mit der Aufnahme von Eldon und Val, die ich gemacht hatte, als sie an einem trägen Sonntagnachmittag mit Kartoffelsalat, Grillhähnchen und Hamburgern, Bier und Eistee zusammen Musik gemacht hatten. Zuerst drehte sich das Band und nichts passierte. Ich hatte schon Angst, es wäre kaputt oder hätte sich verheddert, dann kam Vals Banjo, Eldons Gitarre legte ruhige Akkorde darunter und einfache Bassläufe, als sie zu singen begann.
    The engine whistled down the line
A-blowing every station: McKinley’s dying
From Buffalo to Washington
    Der Himmel war unheimlich klar und hell, während ich so dahinfuhr und den beiden zuhörte. Nach allem, was ich in diesem Leben schon gesehen hatte, bin ich kein emotionaler Mensch, aber trotzdem spürte ich, wie sich Tränen ansammelten, sich Bahn brechen wollten. Zwei gute Freunde, beide fort.
    Ich hatte bis zum Schluss alles versucht, es Lonnie auszureden. Am Ende, als klar war, dass es nichts nützte, was ich natürlich auch schon vorher gewusst hatte, am Ende gab ich ihm das Päckchen. Wir hatten im Terminal Platz genommen. Eine Reihe deutscher
Touristen in identischen Pullovern verließ gerade eine Maschine, die mit schneebedeckten Gipfeln bemalt war, mit vereisten Bächen und blau-weißem Himmel, als wäre es eine eigene kleine, mobile Welt.
    »Was zum Teufel ist das?«
    »Ein Schlitten, soweit ich das erkennen kann.«
    Er verstand meine Anspielung nicht oder wollte sie nicht verstehen, er wartete einfach ab.
    »Die Sache hat mir keine Ruhe gelassen, ich bin daher nochmal zu dem Auto gegangen, zu dem Buick, den Billy gefahren hat. Ich habe angerufen und herausgefunden, dass er immer noch in Hazelwood war. Und während die Stadt noch überlegte, was damit zu tun war, habe ich mir Sonny geschnappt und bin raufgefahren. Wenn einer sich mit Autos auskennt, dann Sonny. Sergeant Haskell hat dafür gesorgt, dass wir die Werkstatt benutzen können, die die Reparaturen für die Polizei und die Stadt erledigt. Sonny hat gefragt: Wonach suchst du eigentlich? Verdammt, wenn ich das wüsste.
    Er hat sich also darangemacht, den Buick auseinanderzunehmen, hat überall herumgestochert. Es dauerte nicht lange, da kam der Mechaniker, dem die Werkstatt gehört, zu uns rüber und fing an, mit
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