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Dunkles Verhaengnis

Dunkles Verhaengnis

Titel: Dunkles Verhaengnis
Autoren: James Sallis
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doch nicht einfach so, nachdem man die ersten vagen Andeutungen bewusst ignoriert hatte, oder?
    Während der folgenden fünf, sechs Wochen trafen sie sich oft, um sich zusammen volllaufen zu lassen.
    Eines Nachmittags, eigentlich war es bereits Abend, sie hatten zu diesem Zeitpunkt bereits fünf, sechs Bier intus, vermutete er, und die üblichen Feierabend-Gäste begannen einzutrudeln, ging Hollis’ Telefon los. Er lachte, als alle sofort nach ihren Telefonen griffen, kapierte dann, dass es sein eigenes war, und ging nach draußen, um den Anruf anzunehmen.
Kam gerade rechtzeitig zurück, um die nächste Runde zu schmeißen, und ungefähr beim dritten Schluck fragte Hollis, ob er zufälligerweise die nächsten paar Tage Zeit und Lust hätte, sich einen hübschen Batzen Kleingeld zu verdienen. Natürlich fragte er, was er dafür tun müsste. Sein Mann hätte ihm gerade abgesagt, erklärte Hollis. Er müsse etwas abholen und könnte dabei gut etwas Gesellschaft gebrauchen. Keine große Sache. Und es würden dreihundert dabei rausspringen.
    Also war er einverstanden und fand sich dann hier am Arsch der Welt wieder, hey, nichts für ungut.
    Von Anfang an lief die Sache nicht rund. Ihr Flug hatte Verspätung, die Frau auf der anderen Seite des Ganges übergab sich auf ihr Plastiktablett mit Rindergulasch, und irgendein Jugendlicher trat ständig von hinten gegen seinen Sitz. Der erste Mietwagen blieb bereits zwei Meilen hinter dem Flughafen von Memphis liegen. Sie mussten anrufen, über eine Stunde warten und dann nehmen, was da war, und das war dieser klotzige Transporter, der stark nach rechts zog.
    Er wusste nicht, was Hollis genau vorhatte, er suchte jemanden, das wusste er – und dann etwas, das er nicht finden konnte. Als sie das erste Haus erreichten, in dem die alte Dame lebte, drehte er
durch, nahm alles auseinander, schlug sie – nur ein einziges Mal, aber viel mehr war auch nicht nötig. Es kam ihm vor, als stünde da wieder der kleine Junge von damals vor ihm. Und alles wurde nur noch schlimmer. Bei dem zweiten Haus passte er auf die Frau auf, während Hollis das Haus durchsuchte und dabei immer wütender wurde. Als er begriff, dass Hollis beabsichtigte, die Frau mitzunehmen, da … bekam er es nicht mit der Angst zu tun, sondern … ihm wurde schlecht. Körperlich schlecht. Das Herz raste wie verrückt, die Haut kribbelte. So, als würde er sich häuten, als würde er seinen Körper zurücklassen.
    Er saß auf dem Rücksitz und bat Hollis immer wieder, damit aufzuhören, sie zurückzubringen, das hier wäre der reinste Wahnsinn, und Hollis antwortete immer wieder, er solle die Klappe halten. An einem Punkt rutschte er auf seinem Sitz nach vorn und trat dabei gegen die Handtasche der Frau, die neben ihm auf dem Boden lag. Etwas Schweres war darin. Er nahm es heraus, befahl Hollis, sofort anzuhalten, und als Hollis daraufhin nur lachte, schoss er.
    Er dachte, irgendwo in der Nähe müsse es eine Farm geben oder so etwas, er würde ihn dorthin tragen und Hilfe holen, falls er noch lebte, aber da war nichts. Und er konnte keine Hilfe holen. Er würde
anrufen, würde auch für die Frau Hilfe holen, aber als Hollis starb, bekam er einfach nur Angst, eine Scheißangst.
    Hollis hatte verlangt, dass er sich diese Telefonnummer und diesen Namen einprägte für den Fall, dass ihm irgendetwas zustieß. Also ihm, Hollis, etwas zustieß. Er sollte einfach nur anrufen, sagen, wo sie waren, nichts weiter.
    Und das war’s dann. Er hörte auf zu reden und starrte auf den Tisch, in Gedanken in Brooklyn, irgendwo in der Vergangenheit, dachte vielleicht, wie weit entfernt diese Vergangenheit doch war, vielleicht war er aber auch einfach nur erschöpft, ausgepumpt. Ich hielt das Tonband an. Das Licht draußen war gedämpft, ein letzter Versuch. Ich hörte, wie der Wind durch die Main Street fegte, das Rütteln der Dächer, das Klappern von Türen und Fenstern. Ich roch Staub und Regen. Alles um mich her atmete die Tristesse von Geschichten mit schlechtem Ausgang.

Kapitel Achtzehn
    Viele der noch fehlenden Einzelheiten erfuhren wir zwei Tage später oben in Memphis von Milly, die sich so einiges aus Troys und Hollis’ Unterhaltung hatte zusammenreimen können. Sie saß aufrecht im Bett, das Bein in einem Streckverband, Schläuche von ihrer Brust führten zu den Flaschen eines Thoraxdrainage-Systems, der rechte Arm war in Gips. Irgendjemand, ein Pfleger oder eine Schwester, hatte ihre Haare nach rechts gekämmt, nachdem die
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