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Dunkles Licht

Dunkles Licht

Titel: Dunkles Licht
Autoren: Dave Duncan
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der Diener eilte zum Vordereingang hinaus, um den Husaren den Weg zum Stall zu weisen. Ein weiterer kehrte zum Speisesaal zurück. Gut ausgebildetes Personal.
    Dennoch zeigte der Ketzer keinerlei Besorgnis. Wie sein Vater früher war er der Vogt von Stonebridge. Wenn also entweder die Kirche oder der Staat etwas gegen ihn unternehmen wollte, würde sich der Lord Lieutenant der Grafschaft mit ihm beschäftigen müssen, und er würde mehr als einen Priester und sechs bewaffnete Lümmel schicken.
    »Was verschafft uns die Ehre dieses Besuchs? Das Letzte, was ich von Euch gehört habe, Pater, war, dass Ihr Hilfsvikar in Dog Lea seid.«
    »Ach, Edgar, das ist schon so viele Jahre her! Inzwischen habe ich die Ehre, Seelsorger auf Schloss Norcaster zu sein.«
    Woodbridge hob die buschigen Brauen, um zu zeigen, dass er beeindruckt war. »Hat nicht der Lehrer geschrieben: ›Wer seinen Dienst gut versieht, wird gut belohnt werden‹?«
    Der Lehrer hatte auch geschrieben: »Der böse Mund kann gute Worte ausspucken«, aber Fage sagte bloß: »Und Leibpriester von Graf Uptree.« Der natürlich der Lord Lieutenant von Angleshire war.
    Der Ketzer zeigte immer noch keine Anzeichen von Sorge, aber das Spiel hatte ja kaum erst begonnen.
    »Im Wissen, wer Euch geschickt hat, sind wir durch Euren Besuch zweifach geehrt. Ein Brief seiner Lordschaft hätte unsere volle Aufmerksamkeit erlangt. Ebenso ein einfacher Herold. Welche Botschaft kann da die Dienste eines Priesters erfordern? Setzen wir uns doch, während Ihr uns Eure wichtige Angelegenheit vortragt.« Er besaß die Unverfrorenheit, auf eine geschnitzte Eichenbank an der Wand zu deuten, als ob ein Besucher, der die Gastfreundschaft zurückwies, unwürdig wäre, weiter ins Innere des Hauses geladen zu werden.
    Fages Blick zuckte kurz zu dem Diener hinüber, der im Hintergrund lauschte, und dann zurück zu dem Ketzer. »Also, meine Botschaft ist gleichfalls für Euer teures Eheweib gedacht.« Er beendetejegliche Debatte mit den Worten: »Nicht alle meiner Nachrichten sind gut, fürchte ich.«
    Aha! Ein Treffer. Woodbridge erriet sogleich, wer das Thema dieses Gesprächs sein sollte, und sein faltiges Gesicht erstarrte. Er fuhr herum. »Bittet die Junkerin zu uns in die Bibliothek! Wenn Ihr bitte hier entlangkommen wollt, Pater …«
    Die Bibliothek war ziemlich beeindruckend, fast bewundernswürdig. Schloss Norcaster hatte nichts Vergleichbares zu bieten. Seine Lordschaft war kein Büchernarr. Die Fenster waren groß, ebenso der Kamin aus grünem Marmor. Zwei bequeme Stühle zu beiden Seiten der Feuerstelle waren hinreichend zum Lesen oder für eine Plauderei, und für etwas formellere Zusammenkünfte standen sechs Hocker um den polierten Walnusstisch. Läufer auf dem Boden und Teppiche an den Wänden verliehen dem Raum eine friedvolle Stille. An einer Wand standen mehrere Hundert Bücher, alle in zueinander passendes Leder gebunden. Wie viele davon waren ketzerisch? Die Titel auf den Einbänden bedeuteten gar nichts. Die Kirchenpolizei würde viele Stunden benötigen, um jedes Einzelne darauf zu untersuchen, ob es auf dem Index stand. Es spielte keine Rolle – die Kirche verfügte über unendliche Geduld und unbeschränkte menschliche Arbeitskraft.
    »So setzt Euch doch, Pater.« Woodbridge winkte Fage zu einem der Polstersessel hinüber.
    Er ließ sich zaghaft darauf nieder. »Ich muss zugeben, dass ich den Sattel nicht mehr gewohnt bin, Edgar.«
    »Keiner von uns ist mehr so jung wie früher.«
    Wenn das eine Bitte um Vergebung war, dann kam sie zweiundvierzig Jahre zu spät.
    Seine Gattin rauschte herein, das Kinn hochgereckt, die Augen sprühend – Agnes Woodbridge, geborene Rowthorn. Ihr Vater war ein notorischer Ketzer gewesen, der die Öffentlichkeit um eine spektakuläre Hinrichtung betrogen hatte, weil er während der Befragung gestorben war. Sie war eine große, stämmige Frau, indüsteres Grau gekleidet, mit einem Saum aus Spitze um ihren Hut als einziger Zierde. Ihr Gatte stellte den Besucher vor, aber der Name würde ihr nichts bedeuten, denn sie waren sich noch nie zuvor begegnet. Sie knickste. Fage spreizte lediglich die Hand zum Zeichen des Lichts, was sie natürlich nicht weiter beeindrucken würde. Woodbridge wies ihr den anderen Polstersessel zu und holte sich einen Hocker, den er zwischen sie stellte.
    »Nun, Pater, welch traurige Botschaft bringt Ihr uns?«
    »Oh, nicht alles ist traurig, Edgar! Der Herr gibt sowohl Tage als auch Nächte, ansonsten
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