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Dunkles Licht

Dunkles Licht

Titel: Dunkles Licht
Autoren: Dave Duncan
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hatte, und Fage, der Fuhrmann, drei. Keines von ihnen beeindruckte ihren Onkel. Wie immer beeindruckte Fage hingegen seine Geschwister: Seelsorger von Schloss Norcaster, Familienpater von Lord Uptree, ein edles Pferd sowie eine Eskorte von sechs Männern – natürlich waren es Geschenke des himmlischen Vaters, also sollte er sich darauf nichts einbilden. Er durfte und musste nicht prahlen. Genießen in aller Bescheidenheit war sein Lohn.
    Was nicht für die Mahlzeit galt, die seine älteste Schwester unbedingt zubereiten wollte. Schlechter hätte er im »Schwan« auch nicht gegessen. Im Gutshaus zu speisen, kam nicht in Frage, weil dadurch eine Verpflichtung zur Gastfreundschaft entstünde. Aber Fage hatte Rasby gesagt, dass er und seine Männer dort essen könnten, und ihre Pferde bekämen auch Futter. Nach einem willkommenen Abschied von Stonebridge begab sich Fage auf den letzten Abschnitt seiner Reise.
    Woodbridge lag nur ein paar Meilen flussabwärts von Stonebridge und markierte wahrscheinlich die Stelle einer ehemaligen Furt. Seine Zeiteinteilung war perfekt. Als er die Kamine des Herrenhauses erblickte, hörte er die Glocke schlagen, welche die Arbeiter zu ihrer täglichen Brotzeit rief. Da stieg er vom Pferd undlegte seine Gewänder an: goldenes Käppchen, himmelblaue Soutane sowie das achtstrahlige Sonnenzeichen. Im Triumph führte er seine Eskorte die Zufahrt hinauf.
    Rechts lag der Park, wo das Verbrechen geschehen war, vor zweiundvierzig Jahren. Damals waren schwere Zeiten über Albi gekommen. Die Ernte des Vorjahres war eine Katastrophe gewesen und der Winter hart. In jenem Jahr hatte es viel Hunger gegeben. Selbst Kaninchen und Tauben waren selten, aber der dreizehnjährige Silas hatte einige Schlingen gelegt, und an jenem Tag hatte er ein Kaninchen gefangen. Zwar bestand es bloß aus Haut und Knochen, aber es würde der mageren Hafergrütze der Familie etwas zusätzliche Würze verleihen.
    Er hatte gerade damit angefangen, das Kaninchen zu häuten, da ließ ihn das langsame Schlagen von Hufen am Boden erstarren. Er duckte sich tief ins Gras und Gebüsch und hoffte, dadurch der Entdeckung zu entgehen. Das Pferd kam jedoch direkt auf ihn zu und blieb stehen.
    »Also ist es der hinterhältige Silas, der Fallen im Park meines Vaters auslegt, nicht wahr?«, fragte eine Stimme von oben.
    Silas erhob sich und blickte hinauf in die unfreundlichen Augen von Edgar Woodbridge. Es gab nichts zu sagen.
    Woodbridge ließ sich aus dem Sattel fallen, sodass sie von Angesicht zu Angesicht voreinanderstanden. Nur dass der Sohn des Herrn natürlich einen halben Kopf größer und insgesamt kräftiger gebaut war. Sie waren gleich alt, auf den Tag. Fage wusste das, weil er oft die Geschichte gehört hatte, wie die Hebamme, die bei seiner Geburt dabei gewesen war, ins Herrenhaus gerufen worden war, um einen wichtigeren Säugling auf die Welt zu holen.
    »Hast du deine Sprache im Gras verloren?«
    »Nein.«
    »Nein
was?«
    »Nein, Euer Wohlgeboren.« Außer Verachtung konnte Fage nichts in jenen blassen Augen erkennen – seltsame Augen für einen Jungen mit derart schwarzem Haar, dichten Brauen und dazu passenden Wimpern.
    »Ich überlasse dir die Entscheidung. Willst du deine Strafe hier empfangen, oder muss ich dich vor den Vogt schleppen?«
    Edgar hätte Fage überallhin schleppen können, sogar ohne Hilfe seines Pferdes. Der Vogt war sein Vater sowie Besitzer des Parks.
    »Wie hoch ist der Tribut hier?«
    »Zehn Streiche, und weitere zehn, wenn du auch nur den geringsten Laut von dir gibst.«
    »Ich zahle ihn.«
    »Dann runter damit!«
    Also ließ Silas Fage, der Sohn des Müllers, seine Kniehosen fallen, beugte sich über einen Baumstumpf und ertrug zehn feste Streiche mit der Reitgerte in eisernem Schweigen. Ein paar davon bluteten.
    »Gut gemacht«, sagte der Sohn des Herrn. »Das mit den zweiten zehn habe ich nicht ernst gemeint.«
    Oh, wirklich nicht? Er hatte sich alle Mühe geben müssen, diese Wette zu gewinnen.
    Woodbridge schwang sich leicht zurück in den Sattel. Nachdem Silas sich die Kniehose wieder hochgezogen hatte, hielt er das Kaninchen hoch.
    »Will’s nicht«, sagte der Sohn des Herrn. »Nicht, nachdem du es betatscht hast.«
    Er ritt davon. Silas schleuderte das Kaninchen für die Krähen ins Unterholz und humpelte nach Hause.
    Aber das war Vergangenheit, und jetzt war Gegenwart.
    Schöne alte Eichen und Buchen scharten sich um das Herrenhaus wie Bewunderer um eine schöne Frau, aber das
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