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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling
Autoren: Doris Bezler
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»o« ein »ö« und dann noch ein »r« dazu. Zumindest hatte ich das vor.«
    »Du bist das? Du erneuerst die Buchstaben immer wieder? Warum tust du das?«
    »Einer, den ich kannte, hat das gemacht und jetzt mach ich es für ihn weiter.«
    »Aha«, sagte Max. »Jedenfalls war es großes Glück, dass du dort warst. Du hast ihr das Leben gerettet! Das werde ich dir nie vergessen!«
    Es dauerte eine Weile, bis Justin antwortete: »Heißt das, dass wir jetzt Freunde sind?«
    Max zögerte. Schließlich sagte er leise: »Klar sind wir Freunde.«
    Er spürte, wie Justin näher an ihn heranrückte. »Hier, ich hab noch etwas für dich«, flüsterte er und drückte Max einen länglichen, kühlen Gegenstand in die Hand.
    »Was ist das?«, fragte Max.
    »Auf jeden Fall kein iPod. Ich weiß es nicht.«
    »Wo hast du das her?«
    »Es fiel aus Chiaras Jackentasche, als ich sie von den Schienen gezogen hab.«
    Max erstastete kleine Knöpfe an dem Gerät. Ein grünes Lämpchen glühte auf. Dann waren Stimmen zu hören. Eine tiefe Männerstimme und eine hellere Mädchenstimme. Beide redeten aufgebracht miteinander. »Das sind Chiara und von Bentheim! Das ist ein Diktiergerät! Am Ende hat Chiara damit heute Abend alles aufgezeichnet!«
    »Dann kannst du rauskriegen, warum er sie loswerden wollte«, sagte Justin sachlich.
    Max brauchte nicht lange, bis er sich mit den Funktionen des Gerätes vertraut gemacht hatte, dann spulte er auf den Anfang zurück und drückte die Abspieltaste.
    Von Bentheims Stimme war zu hören: Wie kommst du hier herein?
    Chiara antwortete: Ich bin drin, das reicht doch!
    Von Bentheim: Hör auf, so frech zu sein. Du weißt genau, dass ich dir verboten habe, diesen Raum noch einmal zu betreten.
    Chiara: Du weißt bestimmt auch, dass es verboten ist, andere Leute zu beklauen! Wo ist mein Laptop? Wo sind meine Unterlagen?
    Von Bentheim: Sie sind weg. Das reicht doch!
    (Man hört Glas klirren. Aus einer Flasche entleert sich gluckernd Flüssigkeit.)
    Chiara: So kommst du mir nicht davon! Es nützt dir nichts, mir die Sachen wegzunehmen. Ich weiß inzwischen alles und es ist hier gespeichert. Hier!
    Max konnte sich bildlich vorstellen, wie Chiara mit funkelnden Augen auf ihre Stirn deutete. Wieder ist zu hören, wie aus der Flasche nachgegossen wird.
    Von Bentheim (verächtlich) : Was weißt du schon! Nichts weißt du, gar nichts! Du weißt nicht, wie das ist, wenn man eine Frau hat, von der man plötzlich erfährt, dass sie diese teuflische Krankheit hat und dass sie es auch noch mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit an ihr Kind weitergibt. Man ist wie benommen und hofft, dass das alles nicht wahr ist!
    Chiara (etwas ruhiger) : Doch, ich kann mir das schon vorstellen. Ich habe mich sehr genau erkundigt, wie Morbus Huntington verläuft und wie elend man daran stirbt. Ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, was die Diagnose damals für euch bedeutet hat, ausgerechnet während der Schwangerschaft.
    Von Bentheim ( Trinkgeräusche sind hörbar, dann räuspert er sich. Seine Stimme klingt zynisch ): Wenn du dir das alles so gut vorstellen kannst, solltest du es dabei belassen und endlich Ruhe geben.
    Chiara ( mit kühler Ruhe ): Nein, das werde ich nicht tun.
    Von Bentheim ( aufgebracht ): Ach und warum nicht? Maurice ist tot.
    Chiara: Aber Max lebt und Max hat ein Recht darauf …
    Von Bentheim ( fährt wütend dazwischen ): Max hat kein Recht auf irgendetwas.
    Chiara: Er ist dein Sohn. Er ist Maurice’ Zwillingsbruder. Es sind zweieiige Zwillinge. Ihr hattet für beide Kinder Gentests anfertigen lassen. Es kam heraus, dass der eine das Gen in sich trägt und der andere nicht. Du hast damals der Wiesner den Auftrag gegeben Max zu töten, weil du dachtest, dass er dieses Gen geerbt hat. Doch sie hat die Tat nicht ausgeführt. Sie hat ihn in der Uniklinik ausgesetzt. Und du hast geahnt, dass es so war. Du wusstest von Anfang an, dass dein zweiter Sohn lebt und hast dir nicht die Mühe gemacht, ihn zu finden!
    Von Bentheim ( lacht böse auf. Dann plätschert erneut Flüssigkeit in ein Glas ): Ich hatte nicht vor, ihn zu finden. Meinst du ich habe Lust, mir dieses langsame Verrecken noch einmal anzuschauen? Das kann man keinem zumuten!
    Chiara ( ruhig ): Max trägt die Krankheit nicht in sich. Maurice war Genträger, und er wusste es.
    Von Bentheim ( lacht und schreit ): Jetzt redest du den gleichen Unsinn wie diese, diese …
    Chiara ( immer noch sehr ruhig ): Wiesner. Brigitte Wiesner.
    Von Bentheim: Genau! Die wollte mir
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