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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling
Autoren: Doris Bezler
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Ereignisse. Blaulichter erhellten pulsierend die Umgebung. Sanitäter hoben Chiara auf eine Bahre und trugen sie davon. Als Max ihr folgen wollte, hielt ein Polizist ihn zurück. Max schaute sich nach Justin um, doch der war wie vom Erdboden verschluckt. Zwei weitere Polizisten standen bei von Bentheim und Köhler. Dorthin wurde Max am Arm geführt.
    »Meinen Sie den hier?«, fragte der Polizist. Von Bentheim nickte. »Ja, der war es. Ich war hier, um meine Tochter von der Bahn abzuholen. Da sah ich, wie er sich mit ihr gestritten hat und sie auf die Schienen warf!«
    Max erstarrte. Der Vorwurf war so ungeheuerlich, dass er nach Luft rang, um Worte zu finden. »Nein!«, flüsterte er nur. »Der lügt!«
    Über von Bentheims Gesicht flog ein kaltes Lächeln und er deutete auf Köhler. »Er kann bezeugen, dass ich die Wahrheit sage!«
    Der Polizist schaute Köhler an. »Können Sie das?«
    »Ich werde eine Aussage machen«, erklärte Köhler.
    Max spürte am nachlassenden Druck im Arm, dass die Aufmerksamkeit des Polizisten nicht mehr nur ihm galt. Mit einem Ruck riss er sich los und rannte über die Schienen davon. Er sprang über einen Zaun, rutschte eine Böschung hinab und hielt auf den nächsten Gartenzaun zu. Hinter sich hörte er aufgeregte Stimmen. Neben sich eine andere. »Nicht da rüber, da suchen sie zuerst. Im großen Bogen zurück zum Bahnhof. Komm!«
    Max folgte der kleinen Gestalt, die bezüglich geordneter Flucht deutlich mehr Erfahrung hatte als er. In der Tat gelang es ihnen, hinter den Rücken der Polizisten an den Einsatzfahrzeugen vorbei durch die Modertalsiedlung zu verschwinden.
    »Und jetzt?«, fragte Max.
    »An der Klapperwiese entlang nach Mittelerde!«
    Max nickte und wollte die genannte Richtung einschlagen, als Justin ihn zurückhielt. »Moment noch!« Justin sah sich vorsichtig um. Das Haus, in dessen Vorgarten sie standen, schien hinter geschlossenen Fensterläden friedlich zu schlafen. Irgendwo in der Ferne schlug ein Hund an, aber hier im Garten blieb es ruhig. Justin pirschte sich vorsichtig an eine Mülltonne an und hob leise den Deckel. Dann begann er im Müll zu wühlen. Verständnislos sah Max ihm zu und wollte Justin gerade drängen, weiterzulaufen, als Justin ein Bündel leerer, schmieriger Mülleimerbeutel aus der Tonne zog. Er reichte Max zwei davon und sagte: »Hier! Bind dir das über die Schuhe.« Max schaute zögernd und mit angewiderter Miene auf die Beutel. Justin erklärte: »Nur für die nächsten hundert Meter. Falls sie mit Hunden kommen. Die verlieren dann die Spur.«
    Max gehorchte. Es war sehr umständlich, sich mit den Tüten an den Füßen, die sich ständig lösten, fortzubewegen. Als sie am Rand der Siedlung ankamen, versenkten sie die Beutel in der nächsten Tonne. Max wollte quer über die Wiese, doch wieder hielt Justin ihn zurück. »Über den Fahrweg, da sind schon so viele Spuren im Schnee, da findet man unsere nicht heraus!«
    Max nickte und schlich hinter Justin her. Auch nach Mittelerde kannte Justin eine Möglichkeit hinten herum, sodass sie keine frischen Spuren am Eingangstor hinterlassen mussten.
    Im Gartenhaus schlug ihnen eine modrige, aber angewärmte Luft entgegen. Justin war heute bereits hier gewesen und hatte eingeheizt. Im Ofen war noch Glut, die den Raum schwach erhellte, nachdem Justin die Ofentür geöffnet hatte.
    »Ich leg mal nichts nach, damit uns der Rauch nicht verrät«, sagte Justin, der auf eine merkwürdige Art ruhig und ganz Herr der Lage war. »Und Licht machen wir auch keins an.«
    »Licht? Habt ihr hier Strom?«, fragte Max.
    »Petroleum«, antwortete Justin. »Hast du Hunger?«
    »Nein.« Max tastete sich zu der alten Couch vor und ließ sich darauf nieder. Kurze Zeit später spürte er Justin neben sich. Der hatte Decken mitgebracht, die er über ihnen ausbreitete. Fürsorglich stopfte er die Zipfel neben Max fest. Jetzt erst spürte Max, wie durchgefroren er eigentlich in seiner dünnen Kleidung war.
    »Es war völlig bescheuert von mir abzuhauen! Jetzt glauben sie wirklich, dass ich das war«, flüsterte Max.
    »Es war völlig richtig«, erklärte Justin. »Die Bullen glauben einem nie was.«
    Max rang bebend nach Luft. »Und wie soll das jetzt weitergehen? Wir können doch nicht für den Rest unseres Lebens hier hocken bleiben!«
    Aus der Dunkelheit kam keine Antwort und Max hatte auch nicht damit gerechnet. Daher wechselte er das Thema.
    »Was hast du eigentlich so spät noch am S-Bahnhof gemacht?«
    »Aus einem
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