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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon
Autoren: Jeff Lindsay
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bedachte mich mit seinem winzigen, fast unsichtbaren Lächeln. »Unter anderem«, fügte er hinzu, und während er sprach, richtete sich ein munterer schwarzer Schatten hinter ihm auf und rief meinem Dunklen Passagier eine fröhliche Herausforderung zu, der nach vorne glitt und zurückblaffte.
    Einen Moment lang starrten wir uns an, dann zwinkerte er schließlich, ein einziges Mal, und erhob sich. Er ging hinüber zu dem Tisch, auf dem Doakes so friedlich schlummerte, und ich sank wieder in meine gemütliche kleine Ecke und fragte mich, was für ein Wunder der Große Dexterini diesmal bewirken musste, um seine grandiose Flucht zu bewerkstelligen.
    Selbstverständlich wusste ich, dass Deborah und Chutsky unterwegs waren, aber das beunruhigte mich mehr als alles andere. Chutsky würde darauf bestehen, seine angeschlagene Männlichkeit wiederherzustellen, in dem er auf einer Krücke hereinhüpfte und eine Waffe in seiner einzigen Hand schwang, und selbst falls er Deborah gestattete, ihm Rückendeckung zu geben, trug sie doch ein Gipskorsett, das jede Bewegung erschwerte. Wohl kaum eine Vertrauen erweckende Rettungsmannschaft. Nein, ich musste davon ausgehen, dass meine kleine Küchenecke bald überfüllt sein würde, und waren wir alle erst einmal gefesselt und betäubt, stand keine Hilfe mehr zu erwarten.
    Und außerdem war ich trotz meines heroischen Wortwechsels mit Danco noch immer benommen von dem Betäubungspfeil. Ich war betäubt, gefesselt und ganz allein. Aber wenn man scharf genug hinschaut, kann man jeder Situation etwas Positives abgewinnen, und nachdem ich es einen Moment versucht hatte, musste ich zugeben, dass ich bis jetzt noch nicht von tollwütigen Ratten angegriffen worden war.
    Tito Puente stimmte ein neues, etwas ruhigeres Stück an, und ich wurde philosophischer. Letztendlich müssen wir alle irgendwann einmal gehen. Aber auch dann stand das hier nicht auf meiner Liste der zehn bevorzugten Todesarten. Einschlafen und nicht wieder aufwachen war die Nummer eins auf meiner Liste, und danach wurde es rasch immer unangenehmer.
    Was würde ich sehen, wenn ich starb? Ich kann mich nicht wirklich überwinden, an die Seele zu glauben oder an Himmel und Hölle oder etwas anderes von diesem feierlichen Unsinn. Denn wenn Menschen Seelen besäßen, hätte ich dann nicht auch eine? Und ich kann Ihnen versichern, ich habe keine. Da ich bin, was ich bin, wie könnte ich? Undenkbar. Es war schwer genug, einfach nur ich zu sein. Ich zu sein mit einer Seele und einem Gewissen und der Drohung eines Lebens danach wäre unmöglich.
    Aber die Vorstellung, dass mein wunderbares, einzigartiges Ich für immer verschwand und niemals zurückkehren würde – sehr traurig. Wirklich tragisch. Vielleicht sollte ich Wiedergeburt in Betracht ziehen. Aber darüber hatte man natürlich keine Kontrolle. Ich konnte als Mistkäfer wiedergeboren werden oder, schlimmer noch, als ein ähnliches Ungeheuer wie ich. Mit Sicherheit würde niemand um mich trauern, zumal, wenn Debs gleichzeitig dahinging. Selbstsüchtig hoffte ich, dass ich der Erste sein würde. Hauptsache, es war endlich vorbei. Diese ganze Scharade dauerte schon viel zu lange. Zeit, sie zu beenden. Womöglich war das auch nicht schlimmer.
    Tito begann ein neues Lied, ein sehr romantisches, er sang etwas von »Te amo«; und nun, da ich darüber nachdachte, konnte es sehr gut sein, dass Rita um mich trauern würde, die Idiotin. Und Cody und Astor würde ich auf ihre verdrehte Weise bestimmt fehlen. Irgendwie hatte ich mir in letzter Zeit waggonweise Zuneigung eingehandelt. Wie konnte mir das nur immer wieder passieren? Und hatte ich nicht vor allzu kurzer Zeit, während ich kopfüber unter Wasser in Deborahs umgekipptem Wagen hing, über genau die gleichen Dinge nachgedacht? Warum verbrachte ich neuerdings so viel Zeit, damit zu sterben, und bekam es nie richtig hin? Wie ich nur zu genau wusste, war es doch gar nicht so schwer.
    Ich hörte Danco mit Instrumenten klappern und drehte mich um, um nachzusehen. Es fiel mir immer noch schwer, mich zu bewegen, aber allmählich ging es leichter, und es gelang mir, ihn scharf ins Auge zu fassen.
    Er hielt eine große Spritze in der Hand und näherte sich Sergeant Doakes, das Instrument hoch erhoben, als wollte er, dass es gesehen und bewundert wurde. »Zeit zum Aufwachen, Albert«, sagte er fröhlich und rammte die Nadel in Doakes’ Arm. Einen Moment lang geschah gar nichts; dann erwachte Doakes zuckend zum Leben und jammerte und
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