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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon
Autoren: Jeff Lindsay
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aber echte Freude wollte nicht in mir aufkommen, stattdessen spürte ich Schmerz, und ich erkannte, dass ich an meinen eigenen Armen sägte. Meine Handgelenkte brannten und pochten, aber ich konnte nicht aufhören zu schneiden, und dann traf ich eine Arterie, und das widerliche Rot spritzte überall herum, und sein scharlachroter Nebel blendete mich, und dann fiel ich, fiel endlos durch die Dunkelheit meines finsteren, leeren Ichs, wo sich die schrecklichen Schatten wanden und wimmerten und an mir rissen, bis ich hindurch und in eine grauenhafte rote Pfütze auf dem Boden stürzte, wo zwei leere Monde auf mich hinunterstarrten und befahlen: Machen Sie die Augen auf, Sie sind wach …
    … Die Umrisse wurden wieder schärfer, die beiden leeren Monde waren in Wirklichkeit zwei dicke Brillengläser in einem großen schwarzen Rahmen und saßen auf dem Gesicht eines kleinen drahtigen Mannes mit Schnurrbart, der sich mit einer Spritze in der Hand über mich beugte.
    Dr. Danco, nehme ich an …?
    Ich glaubte nicht, dass ich es laut gesagt hatte, aber er nickte und antwortete: »Ja, so hat man mich genannt. Und wer sind Sie?« Er sprach etwas gedehnt, als müsste er über jedes einzelne Wort einen Augenblick zu lange nachdenken. Man konnte eine Andeutung Kubanisch hören, aber es klang nicht so, als wäre Spanisch seine Muttersprache. Aus irgendeinem Grund stimmte seine Stimme mich sehr unglücklich, als enthielte sie einen Hauch Dexterweg. Aber tief in meinem Echsenhirn hob ein alter Dinosaurier seinen Kopf und röhrte, und deshalb schauderte ich nicht vor ihm zurück, wie ich es zunächst gewollt hatte. Ich versuchte den Kopf zu schütteln, stellte aber fest, dass das aus irgendeinem Grund nur schwer zu bewerkstelligen war.
    »Versuchen Sie noch nicht, sich zu bewegen«, sagte er. »Es wird nicht gelingen. Aber keine Sorge, Sie werden alles sehen können, was ich mit Ihrem Freund auf dem Tisch mache. Und schon bald kommen Sie an die Reihe. Dann können Sie sich selbst im Spiegel betrachten.« Er zwinkerte mir zu, und ein Hauch von Verspieltheit schlich sich in seinen Tonfall. »Spiegel sind eine wunderbare Sache. Wussten Sie, dass man jemanden, der von draußen in den Spiegel schaut, hier im Haus sehen kann?«
    Er klang wie ein Grundschullehrer, der einem geschätzten Schüler, der aber zu dumm sein könnte, ihn zu verstehen, einen Witz erklärt. Und das war sehr angebracht, so blöd wie ich mir vorkam, weil ich in diese Angelegenheit hineingeraten war, ohne etwas anderes zu denken als
He, ist das aufregend.
Meine mondgesteuerte Ungeduld und Neugier hatten mich unvorsichtig werden lassen, und er hatte gesehen, wie ich hineinspähte. Doch er war selbstgefällig, und das ärgerte mich, deshalb fühlte ich mich herausgefordert, etwas zu antworten, wie halbherzig auch immer.
    »Warum, ja, das wusste ich«, sagte ich. »Und wussten Sie, dass auch dieses Haus einen Eingang besitzt? Und diesmal steht kein Pfau Wache.«
    Er zwinkerte. »Sollte ich deswegen beunruhigt sein?«
    »Nun, man weiß nie, wer sich ungebeten Einlass verschafft.«
    Dr. Dancos linker Mundwinkel wanderte vielleicht einen halben Zentimeter nach oben. »Nun«, sagte er. »Falls Ihr Freund auf dem Operationstisch eine gute Kostprobe ist, werde ich, glaube ich, sicher sein, meinen Sie nicht?« Und ich musste zugeben, dass das ein Argument war. Die ersten Spieler der Mannschaft waren nicht besonders beeindruckend gewesen, warum sich also vor der Ersatzbank fürchten? Wäre ich von den Medikamenten, die er mir gespritzt hatte, nicht so benommen gewesen, hätte ich mit Sicherheit etwas Klügeres von mir gegeben, aber tatsächlich war ich von den Chemikalien noch ein wenig benebelt.
    »Ich hoffe, ich muss nicht annehmen, dass Hilfe unterwegs ist?«, fragte er.
    Ich fragte mich das ebenfalls, aber es schien nicht besonders weise, es zuzugeben. »Glauben Sie, was Sie wollen«, sagte ich stattdessen, in der Hoffnung, dass das mehrdeutig genug war, um ihn zögern zu lassen, und verfluchte die Langsamkeit meiner normalerweise geschmeidigen geistigen Kräfte.
    »Nun gut«, sagte er. »Ich glaube, Sie sind ganz allein hier. Obgleich ich neugierig bin, warum.«
    »Ich wollte Ihre Technik studieren«, sagte ich.
    »Oh, gut«, erwiderte er. »Ich führe sie Ihnen liebend gern vor – erster Hand.« Wieder flackerte sein winziges Lächeln auf, und er fügte hinzu: »Und dann die Füße.« Er wartete einen Moment, vermutlich um festzustellen, ob ich über seinen
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