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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie
Autoren: Aner Shalev
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nach dem Sturm?
    Â 
    Ich beginne zu verstehen, wie tief ich dich verletzt habe. Ich war zu sehr mit mir beschäftigt, mit meinem Schmerz und mit meinem Zweifel, um es vorher zu verstehen. Das ist keine Ausrede, Adam. Ich entschuldige mich. Es ist vielleicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich entschuldige.
    Â 
    Früher, wenn ich jemanden verletzt habe, dachte ich, dass die Tatsache, dass ich sie nicht verletzen wollte, und die Erkenntnis, dass ich an ihrer Stelle nicht verletzt wäre und es für sie eigentlich keinen Grund gibt, verletzt zu sein, mich als der bessere Mensch dastehen ließ. Aber Tatsache war, dass ich sie verletzte.
    Â 
    Ich weiß nicht, ob ich mit Gabi geschlafen hätte, wenn du mich nicht gebeten hättest, nicht mit ihm zu schlafen. Deine Bitte war schuld. Du hast mich förmlich in seine Arme getrieben. Aber es gibt noch einen anderen Aspekt: Deinetwegen war ich sicher, dass ich darunter nicht leiden würde, dass ich mich nicht in ihn verlieben würde. Denn ich bin in dich verliebt.
    Diese Entfernung wird uns noch umbringen.
    Â 
    Ich habe das Gefühl, dass ich in einer Galaxie bin und du in einer anderen.
    Â 
    Und so viel Missgeschick. Zum Beispiel hatte ich während der Tagung am Toten Meer, zwischen den Vorträgen, kaum eine Minute Zeit, meine Mails zu lesen, dich zu lesen. Und manchmal verzerrten sich die Dinge in meiner Erinnerung, und diese Verzerrung führte zu extremen Reaktionen, was wiederum bei dir zu extremen Reaktionen führte und so weiter.
    Â 
    Nein, Adam. Ich war mir nicht bewusst, dass ich dich verletzte. Und dann, als du mich deinerseits mit deinen Mails verletzt hast, als du geschrieben hast, man könne sich nicht auf mich verlassen, als du mich als Nymphomanin beschimpft hast, kam mir das unangemessen und ungerecht vor. Ich wurde so wütend auf dich, auf deinen moralisierenden Ton, auf deine übertriebenen Reaktionen und deine seltsamen Forderungen, dass ich beschloss, dich und New York auszuradieren.
    Â 
    Diese ganze Geschichte mit Gabi hätte einfach ein Spiel sein können, ohne diese Hölle, die dieser Geschichte viel mehr Bedeutung verleiht, als sie es verdient. Und auf einmal ist alles so schicksalhaft.
    Â 
    Ich werde nach New York fliegen.
    Es tut mir leid, dass ich geschrieben habe, dass ich nicht kommen werde.
    Ich grüße dich.
    Eva
    Â 
    Â 
    Mittwoch, 24. November, 11:02
Betreff: die blaue Schlange
    Â 
    Je mehr ich mich an die Idee gewöhne, dich morgen zu sehen, desto weniger bin ich in der Lage, darauf zu verzichten.
    Â 
    Ich habe heute Morgen beim Joggen einen langen Dialog mit dir geführt, und als ich nach Hause kam, fühlte ich mich ganz einfach leer. Schade, dass du mich während des Joggens nicht hören konntest. Danach nahm ich ein Bad (glaubst du, dass wir jemals zusammen baden werden?). Ich lag im Wasser, bewegungslos, bis ich wieder zu Kräften gekommen war.
    Â 
    Habe ich dir den Traum von der blauen Schlange erzählt?
    Das war, als du noch in Jerusalem warst.
    Â 
    Während ich lief, fühlte ich mich so ruhig. Zum ersten Mal spürte ich, dass es sich lohnt zu leiden. Dass Leiden vielleicht sogar notwendig ist. Dass es eine Art Transportmittel ist, das uns zu einem neuen Ort bringt. Nur seinetwegen ändern wir uns. Und drehen uns nicht sinnlos im Kreis.
    Â 
    Es stimmt, was du geschrieben hast, ein Teil meiner Depression ist diese ständige Aktivität. Und Heimatlosigkeit. Und die fehlende Verwurzelung in deinem seltsamen Land.
    In Klammern: Ich sage dein Land, obwohl du nicht hier lebst. Warum bist du weggegangen?
    Glaubst du, dass du jemals zurückkommst?
    Â 
    Früher sehnte ich mich danach, ein riesiges Haus zu besitzen, in dem all meine Freunde, die verschwunden waren und über die ganze Welt verstreut lebten, mit mir zusammen wohnen würden. Aber im Moment, Adam, leben du und ich bereits in jenem Haus. Einem riesigen, transatlantischen Haus, das sich über tausende von Kilometern erstreckt.
    Â 
    Die blaue Schlange.
    Es war ein so deutlicher Traum. Und jetzt weiß ich sogar, wann er war. Zwei Tage, nachdem ich dich kennengelernt hatte. Rückblickend ist es seltsam, wie lebendig ich mich nach dem Unfall fühlte. Von Unfällen erwartet man ja nicht, dass sie uns Leben schenken.
    Â 
    Die blaue Schlange.
    Ich träumte, dass sie zu mir kam. Blau wie ein Wasserschlauch. Sehr giftig. Mein Leben lang habe ich mich vordiesem
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