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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie
Autoren: Aner Shalev
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jeder Liebe, wie die Schöpfungsgeschichte der Welt, denn das Verlieben war der Moment, in dem alle Gesetze aufhörten, und er dachte über diesen ersten Moment der körperlichen Berührung nach, wenn die Scham verschwand, wenn die Wörter zu Ende waren und eine andere Sprache begann, an diesen chaotischen Übergang, voller Zauber und voller Überraschungen, von Zurückhaltung bis Haltlosigkeit, von Kontrolle bis Unbeherrschtheit, von Lüge bis Wahrheit, eigentlich sah er sich selbst nicht als Schürzenjäger, eher als Therapeut, als eine Art Beichtvater. Er stand vom Bett auf, um zur Toilette zu gehen, und die verschlossene Tür des Badezimmers erinnerte ihn plötzlich an etwas, und er öffnete die Tür und stürzte auf Eva zu, die auf dem Fußboden neben dem Klo lag, sie lag auf der Seite, mit halb angewinkelten Beinen, in einer embryonalen Haltung, in einer Lache aus Blut, keine große Lache zwar, aber Blut, und er rüttelte sie und rief, Eva, Eva, aber sie reagierte nicht, und als er ihre Hände anfasste, spürte er, dass sie kalt waren, obwohl ihre Hände immer ziemlichkalt waren, aber diesmal waren auch ihre Füße kalt, sogar ihre Stirn kam ihm kalt vor, und wieder rief er, Eva, Eva, und schüttelte sie noch kräftiger, fast brutal, als würde er ihr nicht verzeihen, wenn sie nicht zu sich kam, wenn sie nicht sofort antwortete, und als sie wieder nicht reagierte, wollte er ihren Puls fühlen, er beugte sich über sie, legte die weiße Brust und eine blasse Brustwarze frei, er presste sein Ohr an ihre linke Brust, etwas darüber, etwas darunter, er war nicht sicher, wo sich das Herz befand.
    Ihr weißer und stiller Körper besaß eine seltsame Schönheit, rein und schutzlos, ohne Tarnung, ohne Tricks, ohne Aufsässigkeit, ohne Täuschung, ohne Heimlichkeit und Missbilligung, auf dem Fußboden des Badezimmers, zwischen Badewanne und Klo, zusammengerollt wie ein Embryo und so weiß wie Schnee, war sie so schön wie noch nie, sie weinte nicht und lachte nicht und änderte ihre Meinung nicht jede halbe Stunde, aber ihr Herz schlug noch, daran hatte er keinen Zweifel, und er beschloss, keine Zeit zu verlieren, und rief den Notarzt, er ging ins Badezimmer und befeuchtete ihre Stirn mit kaltem Wasser, und wieder versuchte er sie zu wecken, diesmal zärtlicher, und als es ihm nicht gelang, fing er an, ihr das Blut abzuwaschen, er trug sie zum Bett und legte ihr dort eine neue Binde zwischen die Schenkel, er zog ihr eine saubere, schneeweiße Unterhose an und dachte wieder über sie nach, als wäre sie seine Tochter, eine Art großes Baby, und nun, nachdem er sie gesäubert und gewickelt hatte, würde er ihr schöne Sachen anziehen und sie in den Wagen legen, und dann würde er mit ihr in den Straßen von Manhattan spazieren gehen.
    Er öffnete den Schrank und fand darin so viele Kleider, als wäre sie für viel länger als eine Woche nach New York gekommen, vielleicht für ein Jahr, vielleicht für das ganze Leben, und er fragte sich, was besser passen würde, ein Rock, ein Kleid oder Hosen, aber er verstand, dass Hosen nicht in Frage kamen, solangesie bewusstlos war, würde er ihr keine Hose anziehen können, und ein Kleid war besser als ein Rock und eine Bluse, in einem Kleid würde sie besser aussehen. Jetzt musste er nur noch die Farbe wählen, mit dem schwarzen Kleid hatte er sie schon gesehen, aber mit dem weißen noch nicht, er hatte gar nicht gewusst, dass sie ein weißes Kleid besaß, bis er es auf dem Bügel im Kleiderschrank hängen sah, und er breitete es neben Eva auf dem Bett aus, und es sah aus, als hätte er gleichzeitig zwei Frauen im Bett, dann beugte er sich zu ihr und zog ihr das Nachthemd aus, das von Blut befleckt war, und betrachtete ihren Körper. Sie hatte jetzt nur die Unterhose an, er versuchte, sich jede Einzelheit einzuprägen, als müsste er darüber noch Bericht erstatten, er schob zärtlich die Binde zurecht, die aus der Unterhose gerutscht war, ging zum Schrank zurück und fand einen passenden Büstenhalter, hielt ihre Brüste kurz in der Hand, als er sie in die Körbchen schob, und drehte sie zur Seite, um den Büstenhalter zuzumachen, zog ihr das weiße Kleid an, steckte ihre Füße in die schwarzen Stöckelschuhe, und gerade als er fertig war, klopfte es laut an die Tür, er schaffte es gerade noch, ihr Haar etwas
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