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Dunkle Gier: Roman (German Edition)

Dunkle Gier: Roman (German Edition)

Titel: Dunkle Gier: Roman (German Edition)
Autoren: Christine Feehan
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Der mächtige Raubvogel hockte völlig reglos da und ließ die scharfen Augen über das unter ihm liegende Gelände gleiten. In der Gestalt des Adlers hatte Zacarias eine unglaublich gute Sicht und ein noch besseres Gehör, denn die viel kleineren Federn, die seinen Gesichtsschleier bildeten, bündelten die Schallwellen.
    Die Pferde auf der nicht weit entfernten Koppel spürten seine Gegenwart und drängten sich nun wiehernd aneinander. Eine Frau kam aus dem Stall unter ihm, ein großes Pferd folgte ihr. Sofort richtete sich Zacarias’ Blick auf sie. Ihr langes Haar, das ihr bis zur Taille reichte, war zu einem dicken Zopf geflochten. Dieses lange Haar zog Zacarias’ Blick auf sich, denn wenn sie sich bewegte, schimmerte es wie gesponnene Seide.
    Zacarias, der seit Jahrhunderten nur dunkle Grau- und langweilige Weißtöne sah, fand diesen Zopf so faszinierend, weil er tiefschwarz war und schimmerte, ohne von der Sonne berührt zu werden. Zacarias war fasziniert von diesem Haar. Sein Magen schlug einen langsamen Purzelbaum. In einer Welt, wo alles immer gleich war und ihn nichts bewegte, kam dieses kleine Gefühl der Explosion einer Bombe nahe. Von dem merkwürdigen Vorkommnis erschüttert, stockte ihm für einen Moment sogar der Atem.
    Das Pferd, das der Frau folgte, trug weder einen Sattel noch Zaumzeug. Der Hengst begann nun, unruhig zu tänzeln und die Frau zu umkreisen; dabei warf er den Kopf zurück und verdrehte die Augen. Die Pferde waren reinrassige peruanische Pasos, eine Züchtung, die nicht nur für ihre angeborenen verschiedenartigen Gangarten, sondern auch für ihr Temperament bekannt war. Die Frau blickte zu den im Kreis laufenden Pferden auf der Koppel hinüber – offenbar war es ungewöhnlich, dass sie so nervös waren – und hob dann eine Hand, um den Hengst zu beruhigen, der sich dicht neben ihr auf die Hinterbeine stellte. Sie legte die Hand auf seinen Nacken und blickte zu der Harpyie auf, die so ruhig auf dem Dach der Scheune saß.
    Der Blick dieser Augen, die wie dunkle Schokolade waren, ging Zacarias durch und durch. Er empfand die Wirkung dieses Blickes wie einen Pfeil, der sein Herz durchbohrte. Marguarita. Selbst aus der Ferne konnte er die Narben an ihrer Kehle sehen, wo der Vampir ihr die Stimmbänder herausgerissen hatte, als sie sich geweigert hatte, den Untoten Zacarias’ Ruhestätte zu verraten. Sie war einmal eine sorglose junge Frau gewesen, doch jetzt benutzte jemand sie, um ihn, Zacarias, in eine Falle zu locken.
    Nun ergab auch alles einen Sinn. Der innere Zwang, zu diesem Ort zu kommen und ihn sich als sein Zuhause vorzustellen. War diese Frau von einem Vampir besessen? Nur ein Meister könnte einen solchen Zauber weben und aufrechterhalten – nur Meister wie seine alten Feinde, die Brüder Malinov. Die fünf Brüder waren mit ihm aufgewachsen. Fast fünfhundert Jahre hatten sie Seite an Seite gekämpft, bis seine Freunde sich in ihrer Gier nach Macht für das Vampirdasein entschieden und ihre Seelen dafür aufgegeben hatten. Sie waren es gewesen, die beschlossen hatten, die Untoten in einem Komplott gegen den Prinzen und das karpatianische Volk zusammenzubringen.
    Dominic hatte diese jüngste Verschwörung aufgedeckt und war geblieben, um bei der Verteidigung der brasilianischen Besitzungen der Familie de la Cruz mitzuhelfen. In der sicheren Überzeugung, dass die Vampire ihren Angriffsplan auf der Hazienda ausprobieren würden, bevor sie gegen Prinz Mikhail vorgingen, hatte Zacarias sie erwartet. Kein Vampir war lebend davongekommen. Es gab keinen, der zurückkehren und den Malinov-Brüdern erzählen konnte, dass ihr Plan gescheitert war.
    Zacarias wusste von dem Zorn der Malinovs und ihrem erbitterten, unversöhnlichen Hass auf ihn und seine Brüder. Ja, das hier könnte sehr wohl die Rache für den Sieg über die Malinov’sche Armee sein, doch wie konnten sie vor ihm hierhergekommen sein? Auch das war Zacarias unerklärlich.
    Der Haubenadler schüttelte den Kopf, um sich von diesen beunruhigenden Gedanken zu befreien. Nein, es war unmöglich, sich so bald wieder für einen weiteren Angriff zu versammeln. Auf jeden Fall war es so, dass Pferde, die schon seine Gegenwart kaum tolerierten, sich niemals von etwas Bösem berühren lassen würden, und Marguarita streichelte dem großen Hengst den Nacken. Sie konnte also nicht besessen sein.
    Zacarias wunderte sich über das seltsame Gefühl, das ihn erfüllte. Es war fast so etwas wie Erleichterung. Er wollte sie nicht töten
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