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Dunkle Gier: Roman (German Edition)

Dunkle Gier: Roman (German Edition)

Titel: Dunkle Gier: Roman (German Edition)
Autoren: Christine Feehan
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Jahren kein Zuhause mehr gehabt. Er war einer der Ältesten, auf jeden Fall einer der Tödlichsten. Männer wie er besaßen kein Zuhause. Nur wenige wollten ihn an ihrem Lagerfeuer haben, geschweige denn in ihrem Haus und an ihrem Herd. Was war also Daheim? Warum hatte er dieses Wort benutzt?
    Seine Familie hatte in den Ländern am Amazonas und den anderen Flüssen, von denen er gespeist wurde, große Haziendas aufgebaut. Das zu kontrollierende Gebiet war sehr ausgedehnt und erstreckte sich über Tausende von Meilen, was die Überwachung schwierig machte. Doch da sie zu mehreren menschlichen Familien eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut hatten, waren die verschiedenen Häuser auch stets auf ihre Ankunft vorbereitet. Zu einem dieser Häuser würde er sich begeben, und er musste die große Entfernung dorthin noch vor der Morgendämmerung zurücklegen.
    Die peruanische Hazienda lag am Rand des Regenwaldes, nur ein paar Meilen entfernt von der Stelle, wo die Flüsse sich vereinten und in den Amazonas übergingen. Selbst dieses Gebiet hatte sich mit den Jahren allmählich verändert. Seine Familie hatte sich den Anschein gegeben, mit den Spaniern in dieses Gebiet gekommen zu sein, und sich Namen ausgedacht, ohne sich darum zu scheren, wie sie klangen. Für Karpatianer spielte es keine große Rolle, wie sie von anderen genannt wurden. Natürlich hatten sie damals nicht einmal geahnt, dass sie Jahrhunderte in Südamerika verbringen würden – und diese Gebiete ihnen einmal vertrauter sein würden als ihr Heimatland.
    Zacarias blickte auf das dichte Blätterdach des Regenwaldes herab, als er darüber hinwegflog. Auch der Dschungel verschwand allmählich durch ein langsames, aber stetiges Eindringen von Menschen und Maschinen, das er nicht verstand. Es gab so viele Dinge in den modernen Zeiten, die er nicht begreifen konnte – doch was machte das schon? Es war nicht mehr seine Welt oder sein Problem. Der Drang, der ihn trieb, verwirrte ihn mehr als die Erklärungen für die sich immer mehr verändernde Umwelt. Wenig erregte noch Zacarias’ Neugier, doch dieser überwältigende Drang, zu einem Ort zurückzukehren, an dem er erst ein paarmal gewesen war, war irgendwie beunruhigend. Weil der Drang ein Bedürfnis war und er keine Bedürfnisse hatte. Und dass er so überwältigend war, dieser Drang, war ebenfalls sehr merkwürdig, weil nichts Zacarias zu überwältigen vermochte.
    Kleine Blutströpfchen fielen in die dunstigen Wolken um die jungen Triebe der wenigen Bäume, die hier und da aus dem Blätterdach hervorragten. Unter sich konnte Zacarias die Angst der Tiere spüren, die ihn vorbeifliegen sahen. Eine Gruppe von Douroucoulis, sehr kleinen nachtaktiven Affen, hüpfte durch die Bäume und vollführte erstaunliche akrobatische Übungen auf den nicht ganz so hoch gelegenen Ästen. Einige futterten Früchte und Insekten, während andere nach Raubtieren Ausschau hielten. Normalerweise würden sie beim Anblick einer Harpyie sofort warnend loskreischen, aber als Zacarias in Adlergestalt über die Affenfamilie hinwegflog, blieben sie geradezu gespenstisch still.
    Zacarias wusste, dass es nicht die Gefahr des vorüberfliegenden Raubvogels war, was diese vollkommene Stille im Wald erzeugte. Der Haubenadler saß oft stundenlang reglos in den Ästen und wartete auf die richtige Beute. Hatte er sie ausgemacht, stieß er mit verblüffender Geschwindigkeit hinab und pflückte sich ein Faultier oder einen Affen von den Bäumen, aber er jagte in der Regel nicht im Flug. Die Säugetiere versteckten sich, doch Schlangen hoben den Kopf, wenn er vorbeiflog, Insekten stiegen zu Tausenden in die Luft, und Hunderte von tellergroßen Spinnen krabbelten über die Äste und zogen in die Richtung, in die er flog.
    Zacarias war an die Anzeichen gewöhnt, die auf die Düsternis in ihm hinwiesen. Selbst als junger Karpatianer war er schon anders gewesen. Seine kämpferischen Fähigkeiten waren so natürlich, als wären sie angeboren, ja ihm fast schon vor der Geburt eingeprägt worden, seine Reflexe schnell und sein Verstand sogar noch schneller. Er besaß die Fähigkeit, eine Situation im Bruchteil einer Sekunde einzuschätzen und sofort mit einer Strategie aufzuwarten. Er tötete ohne Zögern, und seine Täuschungen waren fast unmöglich zu durchschauen.
    Die Düsternis in ihm ging tief und war bereits ein Schatten auf seiner Seele gewesen, lange bevor er seine Emotionen und Farben verloren hatte – und ihm war beides viel früher
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