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Dunkle Gier: Roman (German Edition)

Dunkle Gier: Roman (German Edition)

Titel: Dunkle Gier: Roman (German Edition)
Autoren: Christine Feehan
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abhandengekommen als anderen seines Alters. Zacarias stellte alles und jeden infrage. Nur seine Loyalität seinem Prinzen und seinem Volk gegenüber war unerschütterlich, und das hatte ihm den unversöhnlichen Hass seines besten Freundes eingebracht.
    Mit seinen starken Schwingen flog er in schnellem Tempo durch die Nacht, ohne einen Gedanken an seine Wunden oder das Bedürfnis nach Blut zu verschwenden. Als er die Grenze überquerte und tiefer in das Blätterdach hinunterging, spürte er, wie der innere Zwang, der ihn antrieb, stärker wurde. Es zog ihn auf seine peruanische Ranch. Er musste dort sein. Weil es … sein musste. Der Wald erstreckte sich unter ihm mit seinem dichten Gewirr von Bäumen und Blumen, und die Luft war schwer von Feuchtigkeit. Moose und Kletterpflanzen hingen wie struppige lange Bärte von den Bäumen und reichten fast bis in die Wassertümpel, Ströme oder Bäche. Ein Gewirr von Farnen, die um Platz kämpften, kroch über lange, freiliegende Wurzeln auf dem dunklen Boden unter Zacarias.
    Der Haubenadler fiel durch von Blumen und Lianen überwucherte Äste, deren üppige Fülle allen möglichen Insekten als Versteck diente. Tief unter sich hörte er das leise Quaken eines Baumfroschs, der seinen Partner rief, und dann ein viel harscheres, schnarrendes Geräusch, das den Chor verstärkte. Ein fast schon elektronisches Geträller schloss sich der Sinfonie an, als Tausende unterschiedlicher Stimmen sich zu einem Crescendo erhoben und dann beim Nahen des Raubvogels abrupt zu einer unnatürlichen, schaurigen Stille verstummten.
    Die Morgendämmerung zog herauf und verdrängte die Herrschaft der Nacht. Der Nachthimmel veränderte sich zu einem weichen Taubengrau. Die Harpyie ließ sich in immer kleineren Kreisen von dem Blätterdach zu der Lichtung hinuntersinken, auf der das Wohnhaus der Hazienda lag. Mit seinen scharfen Augen konnte der Adler den Fluss sehen, der wie ein breites Band das Land teilte. Sanfte Hügel wichen steilen Graten und tiefen Schluchten, die sich durch den Urwald zogen. Bäume und Pflanzen schlängelten sich über den felsigen Grund, ein dunkles Gewirr von Vegetation, die entschlossen war, sich zurückzuholen, was ihr genommen worden war.
    Ordentliche Zäune zogen sich die Hänge entlang, Hunderte von Rindern standen auf den Weiden. Als der Schatten des Adlers über sie hinwegzog, hoben sie zitternd vor Aufregung den Kopf. In dem Versuch, die Gefahr auszumachen, die sie witterten, liefen sie wild durcheinander und stießen miteinander zusammen.
    Der Adler flog über mehrere Felder und mindestens einen Morgen Gemüseäcker, die alle sehr gut gepflegt waren. Alles war sauber und ordentlich und nach besten Kräften und bestem Können bearbeitet. Weiden und Äcker machten den großen Koppeln Platz. Die Pferde, die darauf standen, wurden auch unruhig und warfen nervös den Kopf zurück, als der Adler über sie hinwegflog. Unter ihm lag die Hazienda wie ein vollkommenes Bild, an dessen Schönheit er jedoch nicht einmal Gefallen finden konnte.
    Als er sich den Ställen näherte, schien eine Hitzewelle durch seine Adern zu laufen, und tief im Körper des Vogels, wo er überhaupt nichts hätte spüren dürfen, machte sein Herz einen ungewohnten Satz. Die seltsame Regung ließ ihn fast vom Himmel fallen. Von Natur aus skeptisch, misstraute Zacarias allem, was er nicht verstand. Was konnte eine solche Hitze in ihm entfachen? Er war erschöpft von dem anstrengenden Kampf, dem langen Flug und dem Blutverlust. Hunger durchpulste ihn mit jedem Herzschlag, bemächtigte sich seiner und kämpfte um die Vorherrschaft. Der Schmerz der Wunden, die Zacarias nicht geheilt hatte, zerriss ihn.
    Wochen zuvor war er so nahe daran gewesen, zum Vampir zu werden, das Verlangen nach Erlösung von der Leere war so stark und die Düsternis in seiner Seele so erdrückend gewesen, dass seine Reaktion jetzt keinen Sinn ergab. Und heute war er in noch schlimmerem Zustand. Er war ausgehungert nach Blut, und noch mehr Tötungen befleckten seine Seele. Und trotzdem war da diese merkwürdige Reaktion in der Nähe seines Herzens, diese geradezu erwartungsvolle Hitze, die durch seine Adern rauschte. Was war das? Ein Trick? Stellte ein Vampir ihm eine Falle?
    Der Haubenadler legte die Flügel an, die eine Spannweite von etwa sieben Fuß hatten, und seine Krallen, die lang wie die eines Grizzlybären waren, bohrten sich tief in das strohgedeckte Stalldach. Die Federn auf seinem Kopf erhoben sich zu einem langen Kamm.
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